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Incarceron

Incarceron

Titel: Incarceron
Autoren: Catherine Fisher
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Sorge, Finn. Ich werde dich nicht hier zurücklassen.«
    Schmerzerfüllt hob er den Blick und sah eine Frau, um die zwanzig Jahre alt. Ihre Haare waren rot, ihre Augen dunkel. Einen Moment lang konnte er sie riechen; er ahnte einen Hauch von Seife und weicher Wolle. Es war ein herzzerreißender Duft, der in seine Erinnerung einbrach, in dieses schwarze, verschlossene Loch in ihm. Ein Raum. Ein Raum, in dem ein Feuer aus Apfelbaumholz brennt. Ein Stück Kuchen auf einem Porzellanteller.
    Das Entsetzen musste sich auf seinem Gesicht abgezeichnet haben, denn unter dem Schatten ihrer Kapuze hervor musterte die Frau ihn nachdenklich.
    Â»Bei uns wirst du in Sicherheit sein.«
    Finn starrte zurück. Er konnte nicht atmen.
    Ein Kinderzimmer. Die Wände aus Stein, die Tapete prächtig und rot.
    Eilig kam der Mann zurück und schob den Schneider unter die Kette. »Pass auf deine Augen auf«, knurrte er. Finn ließ den Kopf auf seinen Ärmel sinken und spürte, wie sich die Leute um ihn herum zusammendrängten. Einen Moment lang glaubte er, einer der Anfälle, vor denen er sich so fürchtete, könnte ihn überwältigen. Er schloss die Augen und spürte, wie in ihm Hitze
und das vertraute Schwindelgefühl aufstiegen. Er kämpfte dagegen an, schluckte seinen Speichel hinunter und umfasste die Ketten, während die mächtigen Bolzenschneider die Glieder zerteilten. Seine Erinnerungen begannen zu verblassen: der Raum und das Feuer, der Kuchen mit den winzigen, silbern glänzenden Kugeln auf einem Teller mit Goldrand. Noch während er versuchte, den Gedanken daran festzuhalten, entglitt er ihm, und die eisige Dunkelheit Incarcerons war zurück, ebenso der metallene Gestank der öligen Räder.
    Die eisernen Fesseln lösten sich und klirrten. Voller Erleichterung richtete Finn sich auf und holte ein paar Mal tief Luft. Die Frau umfasste sein Handgelenk und drehte es herum. »Das muss verbunden werden.«
    Er erstarrte. Er konnte sich nicht bewegen. Ihre Finger waren kühl und sauber, und sie hatte seine Haut berührt, dort, zwischen dem zerrissenen Ärmel und dem Handschuh. Nun starrte sie auf die klitzekleine Tätowierung, die einen gekrönten Vogel zeigte.
    Sie runzelte die Stirn. »Das ist kein Zeichen der Civitates. Es sieht eher wie …«
    Â»Was?« Er war sofort hellwach. »Wie was?«
    In weiter Ferne im Gang war ein Rumpeln zu hören. Die Ketten an seinen Füßen wurden weggezogen. Der Mann mit dem Schneider beugte sich über ihn und zögerte. »Das ist seltsam. Dieses Schloss. Es ist offen …«
    Die Maestra starrte auf den Vogel. »Wie der Kristall.«
    Hinter ihnen ertönte ein Ruf.
    Â»Was für ein Kristall?«, fragte Finn.
    Â»Ein seltsamer Gegenstand. Wir haben ihn gefunden.«
    Â»Und der Vogel ist der gleiche? Bist du sicher?«
    Â»Ja.« Nachdenklich drehte sie sich herum und besah das Schloss.
    Â»Du warst ja gar nicht wirklich angekett…«

    Â 
    Er hatte es gewusst! Nun musste er dafür sorgen, dass sie am Leben blieb, und so packte er sie und zerrte sie auf den Boden. »Runter«, flüsterte er. Aufgebrachter fügte er hinzu: » Verstehst du denn nicht? Das alles ist eine Falle.«
    Einen Moment lang starrte sie ihm in die Augen, und er sah, wie ihre Überraschung blankem Entsetzen wich. Sie riss sich aus seiner Umklammerung los. Mit einem Ruck war sie aufgesprungen und schrie: »Lauft! Lauft alle!« Aber die Gitter im Boden öffneten sich bereits, und Arme reckten sich daraus empor; Körper schoben sich heraus, und Waffen krachten auf den Steinboden.
    Finn sprang auf. Er stieß den Mann mit dem Bolzenschneider von sich, trat das falsche Schloss weg und schüttelte seine Ketten ab. Keiro schrie ihm etwas zu; eine Machete sauste knapp an seinem Kopf vorbei; er warf sich zu Boden, rollte sich ein Stück fort und blickte hoch.
    Der Gang war von schwarzem Qualm erfüllt. Die Leute der Civitates schrien und stürmten davon, um hinter den riesigen Säulen Schutz zu suchen, doch der Abschaum war bereits auf den Waggons und feuerte wahllos in die Menge. Rote Blitze lösten sich von schweren Musketen und ließen die Luft im Gang beißend werden.
    Finn konnte die Maestra nicht sehen. Vielleicht war sie tot, doch vielleicht versuchte sie auch davonzurennen. Jemand stieß ihn an und drückte ihm eine Waffe in die Hand. Er glaubte, es sei Lis
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