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0295 - Der Schädel des Zauberers

0295 - Der Schädel des Zauberers

Titel: 0295 - Der Schädel des Zauberers
Autoren: Werner Kurt Giesa
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»Dort wirst du ihn finden. Du erkennst ihn an seiner magischen Ausstrahlung! Nun geh’ und handle!«
    Und der Schatten entfloh, eilte hurtig davon und verließ das dämonische Schloß de Montagne, diesen Stützpunkt im Nichts zwischen den Diesseits- und Jenseits-Sphären, um zu Corros zu gelangen und ihm Leonardos Befehl zu überbringen.
    Corros - der Schrumpfkopf!
    ***
    Taró war nicht leicht zu erschüttern. Die Umgebung, in der er sich aufhielt, war nicht jedermanns Sache. Ihm machte es nichts aus, daß überall Spinnen, Ratten, Giftschlangen und anderes bösartiges Gezücht lauerte, daß man bei jedem unvorsichtigen Schritt im Sumpf zu versinken drohte. Taró kannte sich hier aus. Fünfhundert Jahre seines Lebens hatte er hier zugebracht und vierhundertneunzig davon als Diener des Schrumpfkopfes. Wie lange er noch leben würde, hing davon ab, wie geschickt er sich anstellte. Sollte Corros mit ihm unzufrieden sein, vermochte er, ihm mit einem Wort den lebensverlängernden Zauber wieder zu entziehen, und Taró würde schlagartig zu Staub zerfallen. Denn viel zu lange lebte er schon, als daß nach dem Ende des Zaubers auch noch Zeit für nur einen einzigen Atemzug bleiben würde.
    Doch Corros hatte keinen Grund, unzufrieden zu sein. Seit 490 Jahren war Taró ihm ein treuer und zuverlässiger Diener, der längst ohne Befehle wußte, was sein Herr von ihm erwartete.
    Als Corros’ Diener hatte er eine Menge Dinge erlebt, die jeder Sterbliche als unmöglich bezeichnet hätte. Doch einen Schatten, der sich bewegte, ohne daß der zu ihm gehörige Körper irgendwo zu erkennen war, hatte er noch nicht gesehen.
    Unwillkürlich schlug Taró das Bannzeichen. Doch der Schatten, der so unheimlich beweglich war, wich nicht von ihm, sondern erhob sich, stand aufrecht in der hellen Mittagssonne vor Taró und streckte seine Arme nach ihm aus. Taró wich zurück. »Geh«, ächzte er. »Geh zurück, woher du kamst!«
    Der Schatten gab ein hohles, geisterhaftes Kichern von sich.
    »Du wirst mich zu deinem Herrn führen, Taró. Ich weiß, daß er ganz in der Nähe weilt. Bring mich zu ihm, oder es ergeht dir schlecht!«
    Taró wand sich. Er wußte, daß es ihm ebenso schlecht ergehen würde, wenn er einen ungebetenen Gast unangemeldet zu seinem Herrn führte. Andererseits - was würde es nützen, wenn er sich weigerte? Der Schatten schien sehr genau zu wissen, wo sich Corros befand, und Taró kannte seine Macht nicht. Vielleicht würde Corros verstehen und verzeihen…
    Hatte er zu lange gezögert, zu lange überlegt? Die Hand des Schattens stieß vor, berührte Tarós Brust in Höhe des Herzens. Und für fünf Sekunden, die lange waren wie die Ewigkeit der glutroten Hölle, stand dieses Herz still.
    Taró alterte!
    Er, der mit seinen fünfhundert Jahren aussah wie ein zehnjähriger Junge, wuchs jäh empor zum Jugendlichen, wurde zum Erwachsenen. Sein Bart sproß, wuchs wie Finger- und Zehennägel auf unglaubliche Länge. Falten bildeten sich in Tarós Haut, seine dunklen Haare wurden grau und dünn.
    Als der Schatten seine Hand zurückzog, glich Taró der Karikatur eines sechzig jährigen Mannes.
    »Wirst du gehorchen?« fragte der Schatten drohend.
    Taró nickte stumm. Hastig kürzte er Zehen- und Fingernägel, um sich überhaupt bewegen zu können. Bart und Haar, das bis zum Boden reichte, mußte er einstweilen mit sich schleppen. Und die Kraft seiner Jugend war dahin. Er war gealtert, er war zum Greis geworden.
    Körperlich wie geistig.
    Er hatte den jähen Hauch des Todes gespürt, der erstmals nach 500 Jahren nach ihm griff. Aber er wollte nicht sterben. Er hatte zu lange gelebt, um jetzt noch dieses Leben aufgeben zu wollen. Und er wußte, der Schatten konnte ihn töten. Er konnte den Zauber der Unsterblichkeit aufheben. Hatte er es ihm nicht gerade schlagend bewiesen?
    Kalte Angst hielt Taró in seinem Griff. Sowohl der Schatten als auch Corros konnten ihn töten. Aber wenn er den Schatten zu Corros führte, so lebte er vielleicht noch ein paar Minuten länger, ehe Corros’ Zorn ihn vernichtete. Und diese Minuten wollte er wenigstens noch auskosten.
    Und so führte er den Schatten zum Schrumpfkopf.
    ***
    Corros tötete Taró nicht. Er wußte nur zu gut, was er an seinem langjährigen Diener hatte, und er fand, daß Taró durch seine Alterung schon genug bestraft war. So widmete er sich dem Schatten.
    Weiße Blitze zuckten in ununterbrochener Folge aus seinen Augen wie Laserstrahlen und versuchten, den Schatten aufzulösen.
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