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In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Monica Kristensen
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Gesicht um den Mund lockere, joviale Falten warf. Große Tränensäcke unter den Augen. Ein netter, beliebter Teddybär, der einige Jahre Erfahrung auf Spitzbergen hatte.
    Der Dolmetscher und der Fahrer hielten sich im Hintergrund, beide trugen dunkle, abgegriffene Kolotjuska-Joppen, die ihnen beinahe bis zu den Knien reichten. Knut wusste, dass diese Art der Oberbekleidung sehr gesucht war. Die Bergleute bekamen sie als Arbeitskleidung, aber ein Teil verschwand auf dem Schwarzmarkt, weil sie warm und widerstandsfähig waren. Einige Exemplare waren auch schon in Longyearbyen aufgetaucht.
    Der Konsul trat einen Schritt vor, breitete die Arme aus und hieß Knut willkommen in Barentsburg. Wenn er enttäuscht war, dass nicht mehr Mitarbeiter aus dem Büro der Regierungsbevollmächtigten gekommen waren oder dass Anne Lise Isaksen es nicht für sinnvoll erachtet hatte, persönlich an der Mission teilzunehmen, verbarg er es gut. Knut hätte fast gegrinst, hielt sich aber zurück. Höflichkeit und Pomphaftigkeit zu verwechseln war einer der Fehler, die Norweger im Umgang mit den Russen häufig begingen. Er wusste, dass der Konsul nur selten Besucher auf dem Flugplatz begrüßte. Eine solche Ehrenbezeugung konnte bedeuten, dass die Russen etwas als Gegenleistung erwarteten.
    Der umgebaute Lastwagen, der als Transportmittel für Passagiere zum Flugplatz Heerodden diente, schien in einem jämmerlichen Zustand zu sein. Verbeult, verrostet und verdreckt. Die gesamte Ladefläche war mit einer Art Transportkabine überbaut. Die schmalen, hohen Fenster hatte man mit gelblichbraunen Gardinen zu verschönern versucht, die vielleicht irgendwann einmal weiß gewesen waren. Als Lackierung für den Aufbau war ursprünglich Hellblau verwendet worden. An der Seite stand der Name der staatlichen russischen Fluggesellschaft Aeroflot in kyrillischen Buchstaben.
    Die hinteren Türen wurden geöffnet, und man winkte Knut hinein. Er setzte sich auf einen der hinteren Plätze. Es war eiskalt und stank nach Tabak und Diesel. Glücklicherweise lag die Siedlung weniger als vier Kilometer entfernt. Die Fahrt würde nicht allzu lange dauern. Vor den Fenstern flimmerte die Landschaft im schwachen Tageslicht vorbei. Auf dem schneebedeckten Boden verstreut lagen Belege von industrieller Aktivität herum – leere Plastikkanister, verrostete Maschinenteile, Planken und Betonreste. Der Kohlenstaub hatte die Erde mit grauen Flecken übersät. Knut lehnte den Kopf gegen die Scheibe und schloss die Augen. Fünf Minuten Ruhe waren besser als nichts.
    Der Fahrer fuhr vorsichtig über die holprige Straße ins Zentrum der Siedlung und hielt im Eingangsbereich des Konsulats. Das stattliche Gebäude war das neueste in Barentsburg und stammte vermutlich aus den frühen achtziger Jahren, als die Russen begonnen hatten, helle Ziegelsteine für ihre Bauten zu verwenden. Vor dem Konsulat befand sich ein Zaun mit senkrechten Eisenpfosten, dahinter ein überdachter pompöser Eingang. Das imponierende Gebäude hätte ebenso gut an einer Hauptstraße in Sankt Petersburg liegen können, allerdings durfte man nicht so genau hinsehen. Die Ziegel der Mauern bröckelten, und die Fassade hatten die ständige Kohlenstoffwolke und der Ruß des Kraftwerks verdreckt.
    Die Passagiere kletterten aus der Hintertür der Transportkabine. Der Lastwagen verschwand auf demselben Weg, den er gekommen war. Bald sah man ihn nur noch als Schatten hinter seinen eigenen Abgasen.
    Der Konsul ging über eine breite, schlecht beleuchtete Treppe in die erste Etage voran. Knut stöhnte und folgte ihm. Er kannte dieses merkwürdige Gefühl der Verwirrung – ein Gefühl, als sei er irgendwo weit von Spitzbergen entfernt, obwohl sie sich lediglich ein paar Meilen westlich von Longyearbyen befanden. Außerdem hatte die fremde Atmosphäre in dem Gebäude etwas Beunruhigendes, das Geräusch ferner Stimmen und Schritte auf der Treppe über ihm, der Geruch von Zigarettenrauch. Er hatte das idiotische Gefühl, dass er verhört werden sollte, ohne sich wirklich auf seine Unschuld berufen zu können.
    Sie folgten einem langen Korridor bis zu einem kleinen Vorzimmer, ohne irgendjemandem zu begegnen. Eine junge Frau in einem kurzen pfirsichroten Pullover und einem dicken Wollrock, der um ihre kräftigen Hüften spannte, sprang hinter dem Schreibtisch auf und wurde ihm als Sekretärin des Konsuls vorgestellt. Den Nachnamen verstand Knut nicht, doch den Vornamen Olga konnte er sich merken. Ihr Lippenstift leuchtete
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