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In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Monica Kristensen
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aushalten. Auf der Erde könnte er dann so tun, als müsse er auf die Toilette. Alles würde besser werden, wenn er die wabernde, geleeartige Masse los wäre, die in seinem Magen herumschwappte und drohte, ihm den Hals hinaufzusteigen. Außerdem war er schon oft in Barentsburg gewesen und hatte keinen Bedarf, sich die Siedlung wie ein Tourist aus der Luft anzusehen.
    Alle früheren Besuche bei den Russen waren Dienstreisen gewesen, seiner Meinung nach vollkommen sinnlose Demonstrationen norwegischer Souveränität und Gesetzgebung. Er sah keinen Sinn darin, kostbare Hubschrauberzeit zu verschwenden, nur um sich mitten in der Zechensiedlung aufzubauen und Alkoholkontrollen bei den wenigen Fahrern durchzuführen, die über ein Auto oder einen Schneescooter verfügten. Nach diesen Einsätzen hatte er keinerlei Verlangen mehr verspürt, der russischen Bergarbeiterstadt einen Privatbesuch abzustatten.
    Barentsburg hatte sich in wenigen Jahren gewaltig verändert. Vor nicht allzu langer Zeit hatten hier über zweitausend Menschen gelebt. Nicht nur Bergleute mit ihren Familien und Kindern. Es gab Geschäfte, die Kinder gingen zur Schule, man hatte sich selbst versorgt, mit Gemüse aus einem Treibhaus und Milch, Eiern und Fleisch aus einem Stallgebäude. Die Kohlengruben von Spitzbergen waren wichtig, um die Interessen des Sowjetstaats im Norden zu wahren. Die Russen hatten die Hoffnung nie aufgegeben, die Verwaltung der arktischen Inseln mit Norwegen zu teilen. Dieser unausgesprochene Konflikt, dessen Wurzeln weit in die Zeit vor dem Kalten Krieg zurückreichten, flammte durch eine Vielzahl kleiner und großer Zwischenfälle immer wieder auf. Bei jeglicher Form der Kommunikation war das Misstrauen zwischen den beiden Polarnationen deutlich zu spüren.
    Der kleine russische Flugplatz lag auf der östlichen Landzunge an der Mündung des Grønfjords. In den siebziger Jahren war er der Ausgangspunkt für wiederholte Konflikte zwischen den norwegischen und den russischen Behörden gewesen. Die Russen wollten die Landebahn erweitern, damit große Passagiermaschinen aus Murmansk dort landen konnten. Außerdem wollten sie den Hubschrauberverkehr zwischen Barentsburg und Longyearbyen ausbauen. Diese Gründe hielt man auf norwegischer Seite für suspekt und interpretierte sie als Versuch, sowjetische Interessen auf Spitzbergen der norwegischen Kontrolle zu entziehen. Es kam zu Konfrontationen, denn wie sollte der Regierungsvertreter gegen all die sowjetischen Hubschrauber vorgehen, die sich den Flugrestriktionen und Luftverkehrsregeln in den norwegischen Polargebieten widersetzten? Knut konnte sich nur daran erinnern, dass die Auseinandersetzungen mit der Zeit als tägliche Praxis akzeptiert wurden. Inzwischen wurden die russischen Helikopter auf Heerodden ausschließlich zum eigenen Transportbedarf der Bergbaugesellschaft Trust Arktikugol eingesetzt.
    Ein großer Lastwagen fuhr von der Siedlung über die Schotterpiste zum Flugplatz. Knut hatte die Scheinwerfer bereits gesehen, bevor sie landeten. Er sprang aus dem Hubschrauber, dessen Pilot sich auf den Rückflug nach Longyearbyen vorbereitete, ohne die Rotoren abzuschalten. Aber irgendetwas hielt den Piloten auf. Die Zahl der Rotorumdrehungen verringerte sich, die Tür des Cockpits wurde geöffnet. Der Chefpilot sprang in den Schnee und kam auf Knut zu. Spitzbergen Radio habe weiter nördlich ein Notsignal aufgefangen, berichtete er. Sollte er innerhalb kurzer Zeit keine anderslautende Meldung bekommen, müssten sie hinfliegen, um es zu überprüfen.
    »Es könnte der Notpeilsender eines Fischkutters sein, der durch einen Fehler ausgelöst wurde. Wenn es sich nur um einen Routineauftrag handelt, holen wir dich auf dem Rückweg wieder ab. Rechne mit vier, fünf Stunden Aufenthalt.«
    Der Pilot kletterte wieder in den Hubschrauber, der Helikopter stieg hoch und war bald nur noch als schwarzer Punkt in den Wolken auf seinem Flug gen Norden zu erkennen.
    Die kleine Gruppe Russen am Lastwagen bestand aus dem Konsul, einem Dolmetscher und dem Fahrer. Der Konsul trug einen langen schwarzen Mantel, einen Schal und eine russische Pelzmütze. Er bemühte sich, offiziell auszusehen. Dimitri Petrowitsch Brodskij, unter Freunden Dima. Er habe viele Freunde in Longyearbyen. Unter anderem die Regierungsbevollmächtigte Anne Lise Isaksen, den Direktor der Store Norske, den Pastor und den Leiter des Spitzbergen-Rats. Der Konsul war ein vierschrötiger Mann mit wenigen rötlichen Haaren, dessen
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