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In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Monica Kristensen
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Toten handelte es sich um einen ausgesprochen angesehenen Mann der alten Schule, ehrlich und gerecht. Kein gewöhnlicher Bergmann. Vorsitzender der Gewerkschaft. Die Arbeiter haben daher beschlossen, die Förderung aus Respekt vor dem Toten zu unterbrechen …
    Der Bergwerksdirektor zischte dem Dolmetscher auf Russisch etwas zu.
    »Die Leitung hat beschlossen … natürlich. Der Direktor hat entschieden … zusammen mit den Arbeitern … nein, aus Respekt vor den Arbeitern … vor der Gewerkschaft, der Partei … ja, auf jeden Fall ist das Bergwerk heute geschlossen. Wir hoffen, die Arbeit morgen wiederaufnehmen zu können.«
    Mit den irritierten Einwürfen des Konsuls und des Direktors im Hintergrund verstrickte der Dolmetscher sich hoffnungslos in seinen eigenen Erklärungen.
    Knut hörte nur mit halbem Ohr zu. Ihm ging durch den Kopf, dass weder dem Konsul noch dem Direktor gefiel, welchen Eindruck der Dolmetscher hier vermittelte.
    »Wo ist das Unglück passiert?«, wollte er wissen. »Kann ich den Tatort sehen?«

KAPITEL 5 Der Tatort
    Alles lief offenbar nach einem Plan, den die Russen von vornherein ausgetüftelt hatten. Knut schaute immer öfter auf die Uhr und wartete unruhig darauf, dass sie endlich ihr Geplauder bei Tee und Keksen beendeten. Schließlich sah es so aus, als wären sie bereit, mit ihm den Unglücksort zu inspizieren. Der Konsul nickte der Sekretärin im Vorzimmer zu. Sie hob den Telefonhörer und gab kurz jemandem Bescheid.
    Knut trat als Letzter aus dem Konsulat, blieb einen Moment auf der Treppe stehen und sah sich um. Vor ihm standen die Gebäude von Barentsburg an einem Hang, der sich bis hinunter zum Grønfjord zog. Auf den Bergen am gegenüberliegenden Ufer lagen tiefe blaue Schatten, ein Kontrast zum Himmel, an dem rötliches Polarlicht leuchtete. Es war eine Erleichterung, den wohlbekannten Horizont zu sehen, er klammerte sich an diesen Anblick, er war auf Spitzbergen und nicht in einer kleinen Industriestadt in Sibirien. Soweit er es in der Hand hatte, würde die Besichtigung des Tatorts schnell vonstattengehen.
    Diesmal transportierte sie ein Bus der Zeche. Offensichtlich konnte nicht einmal der Direktor über den Lastwagen verfügen, dessen Sonderanfertigung zum Transport der Fluggäste gedacht war. Der Bus stand vor dem Konsulat und wartete. Er bebte und rüttelte im Leerlauf, Dieselrauch zog durch die kalte, klare Luft.
    Der Bergwerksdirektor klopfte energisch an die geschlossene Tür. Mit einem quietschend metallischen Geräusch glitt sie auf. Sie stiegen über ein hohes Trittbrett ein und verteilten sich auf die Sitze. Knut setzte sich neben den Dolmetscher und wollte ihn nach den Gebäuden an der Straße fragen – während der kurzen Fahrt zur Grube ließ sich allerdings unmöglich ein Gespräch führen. Der Bus schlingerte, dass man genug damit zu tun hatte, sich an den Sitzen festzuhalten.
    Die Fahrt endete vor der Tagesanlage. Knut schaute durch das enorme offene Tor in die Dunkelheit des Schachts und schauderte – erleichtert, dass sie nicht in den Berg einfuhren. Von hier ab gingen sie zu Fuß. Der Boden war glatt und von einer dünnen Schicht Neuschnee überzogen. Das blaue Tageslicht ließ die Landschaft schmutzig und trist aussehen. Knut wusste, dass dieser Eindruck durch Vorurteile belastet war. Auch in Longyearbyen gab es nicht nur aufgeräumte, ordentliche Ecken.
    Sie mussten auf dem immer unwegsameren Weg nicht weit gehen, bis sie in der feuchten Kälte anfingen zu frieren – alle außer dem Konsul, der mit seinem Mantel und der Pelzmütze vernünftig gekleidet war. Unweit vom Eingang des Schachts näherten sie sich dem Ziel ihres Spaziergangs, einem niedrigen, kleinen Betonklotz im Rohbau. Der Dolmetscher trippelte in blanken Lederstiefeln voran, zeigte und erklärte. Man sei dabei, die Förderung umzustellen und zu modernisieren. In dem neuen Gebäude würden Büros und Werkstätten untergebracht, außerdem eine Waschkaue für die Arbeiter. Das Projekt steckte noch in der Anfangsphase, kräftige Armiereisen ragten wie rostige Skelettteile aus der Verschalung aus groben Holzplanken. Hinter dem Rohbau stand eine gewaltige Betonmischmaschine auf einem eisernen Pritschenwagen mit großen Rädern. Über der Maschine erhob sich ein Gerüst, das in einer Art Holzbaracke endete.
    Knut sah sich um und versuchte sich einen Eindruck zu verschaffen, doch ihm ging nur durch den Kopf, dass dies ein einsamer und trauriger Ort war, um zu sterben. Außerdem ein Albtraum für
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