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In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Monica Kristensen
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orangefarben in ihrem blassen Gesicht. Sie strich sich über das stramm aufgesteckte Haar, errötete und blieb am Schreibtisch stehen, bis sie vorbeigegangen waren.
    Der Konsul öffnete die Doppeltüren zu einem weitaus größeren Büro, seinem eigenen. Dort saß bereits ein Mann und erwartete sie, Konstantin Nikolajewitsch de Rustin, der Bergwerksdirektor des Trust Arktikugol in Barentsburg. Die Atmosphäre veränderte sich schlagartig. Die joviale Unterwürfigkeit des Konsuls, aber auch die Aufstellung des Dolmetschers neben dem Bergwerksdirektor ließen keinen Zweifel aufkommen, wer der eigentliche Chef war. Die mächtige Bergbaugesellschaft stand hinter dem Ersuchen an die Regierungsbevollmächtigte, der Arbeitsunfall war ihr Problem. Alle vier setzten sich auf mit schwarzem Lederimitat bezogene Stühle an einen niedrigen Tisch.
    Der Dolmetscher räusperte sich. »Der Herr Konsul hat mich gebeten, Ihnen zu sagen, dass er die Bestrebungen der Regierungsbevollmächtigten Anne Lise Isaksen sehr schätzt, die Beziehungen zwischen Barentsburg und Longyearbyen auszubauen. Wir alle wünschen uns eine gute Kooperation zwischen den beiden großen arktischen Nationen auf Spitzbergen. Daher sind wir dankbar für Ihre Hilfe.« Er verbeugte sich formell in Knuts Richtung.
    Knut war dem Dolmetscher schon häufiger begegnet. Bei den Kontakten des Büros der Regierungsbevollmächtigten mit den Russen ließ es sich nicht vermeiden. Sowohl die politische wie die administrative Führung in Barentsburg forderten formelle Übersetzer in allen offiziellen Zusammenhängen. Der Dolmetscher war glitschiger als ein Aal. Ein rundes, unreifes Gesicht, sparsames helles Haar, das er in die Stirn kämmte, und die Andeutung eines Bauches unter dem Nylonhemd. Undefinierbares Alter. Die affektierte norwegische Diktion mit vielen Fremdworten und diplomatischen Wendungen deutete auf eine Universitätsausbildung, ergänzt durch einige Kurse im russischen Außenministerium.
    »Spasiba«, entgegnete Knut und verbeugte sich höflich, erst in Richtung des Dolmetschers, dann an den Konsul und den Direktor gewandt.
    Das Lächeln erstarrte. »Sprechen Sie Russisch?« Der Dolmetscher brauchte keine Aufforderung, um diese Frage zu stellen.
    »Nein.« Knut sah auf die Uhr, die Zeit verstrich. Er hatte dröhnende Kopfschmerzen und wollte den offiziellen Teil des Besuchs so rasch wie möglich beenden. Er sehnte sich zurück in sein Büro, um einen raschen Bericht zu schreiben und dann nach Hause gehen zu können. Ein leichtes Abendbrot und früh zu Bett. Auf keinen Fall wollte er den Rücktransport nach Longyearbyen verpassen. Wenn der Helikopter aus dem Norden zurückkam, hatte er nicht mehr genügend Treibstoff, um auf Heerodden lange mit laufenden Rotoren zu warten.
    Er wandte sich dem Konsul zu. Aus früheren Begegnungen wusste er, dass dies die korrekte Form war. Normalerweise hätte er beim Sprechen den Dolmetscher angesehen, schließlich war er für die Kommunikation auf Norwegisch zuständig. »Was kann die Regierungsbevollmächtigte für Sie tun? Soweit wir verstanden haben, hat sich gestern im Bergwerk ein Arbeitsunfall ereignet? Vielleicht sollten wir …«
    Der Bergwerksdirektor saß am unteren Ende des Tischs, fast im Hintergrund. Er hatte während des Austauschs von Höflichkeiten und den Wünschen nach guter Zusammenarbeit kein Wort gesagt, nun beugte er sich vor und redete rasend schnell auf den Dolmetscher ein.
    »Es hat wohl ein Missverständnis gegeben. Das Unglück ereignete sich außerhalb der Grube. Das tragische Geschehen hat nicht mit der Kohleproduktion zu tun. Es gibt keinen Zweifel am Ablauf der Ereignisse …«
    Knut bündelte die letzten Reste von Geduld und fragte vorsichtig: »Es ließ sich nicht vermeiden, vom Hubschrauber aus zu bemerken, dass die Förderung gestoppt wurde. Gibt es einen Grund dafür?«
    Die Produktion in einem Bergwerk wiederaufzunehmen war teuer und zeitaufwendig. Die Leitung in Barentsburg hätte sicher sehr viel gegeben, um es zu vermeiden. Wieder ein kurzer Blickkontakt zwischen den drei Russen. Diesmal ergriff der Konsul das Wort. »Die Ereignisse sind sehr betrüblich. Nicht nur für die junge Frau des Toten, sondern auch für seine Arbeitskollegen, die Gesellschaft, ja, für unsere ganze kleine Bergbaugemeinschaft …«
    Als der Dolmetscher übersetzte, stand ihm ein Schweißfilm auf der Stirn. Seine Wortgirlanden wurden immer feierlicher. Die Augen des Konsuls schimmerten, er seufzte schwer. Bei dem
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