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0641 - Grabgesang

0641 - Grabgesang

Titel: 0641 - Grabgesang
Autoren: Werner Kurt Giesa
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»Warum ausgerechnet jetzt?«
    Professor Zamorra zuckte mit den Schultern. »Wir haben gerade ein wenig Zeit. Und ich habe keine Lust, mich um andere Dinge zu kümmern.«
    »Ich hoffe, zu diesen anderen Dingen zählst du nicht gerade mich?« fragte Nicole Duval und zog die Augenbrauen hoch.
    »Bist du etwa ein Ding?«
    »Nicht, daß ich wüßte.« Sie schüttelte heftig den Kopf, daß die Haare flogen, und in ihren Augen blitzte es auf. »Und ich würde es dir sehr übel nehmen, wenn du mich so bezeichnetest.«
    Zamorra grinste. »Es gibt ein paar andere Bezeichnungen, die viel besser zu dir passen«, sagte er. »Geliebte. Lebensgefährtin. Kampfpartnerin. Zusatzgedächtnis. Sekretärin. Lustobjekt.«
    »Aha«, machte Nicole. »Ich nehme an, die Reihenfolge der Wichtigkeit verläuft in dieser Aufzählung rückwärts?«
    »Sie ist völlig ungeordnet«, log er.
    »Ah, ja. Gut, daß ich das jetzt weiß. Aber ich glaube dir nicht«, kam sie zum ursprünglichen Thema zurück, »daß es nur darum geht, daß wir gerade ein wenig Zeit haben. Ich kenne dich, Chef. Du befürchtest doch wieder mal irgend etwas.«
    »Ich weiß nicht, ob ›befürchten‹ das richtige Wort dafür ist«, sagte Zamorra. »Es ist, glaube ich, nicht einmal eine Ahnung. Nur so ein Gedanke. Und wir haben derzeit, denke ich, wirklich nichts anderes zu tun.«
    Er setzte sich auf den Beifahrersitz des Autos, das sie mit Politur bearbeitete und auf Hochglanz brachte; ihren Traumwagen, ein ’59er Cadillac-Cabrio in weiß, mit rotem Leder, mit riesigen, raketengleichen Heckflossen, Unmengen von Chrom-Zierrat und einem fast ungesunden Benzindurst. Aber das Vergnügen, in diesem Schlachtschiff mit offenem Verdeck durch die Landschaft zu gleiten, machte die Kosten wieder wett.
    Und derzeit war es Cabrio-Wetter.
    In der Septembermitte war es noch einmal wieder einigermaßen warm geworden, und Nicole als Sommerund Sonnenfan nutzte die vermutlich letzte Gelegenheit des Jahres, die schönen Tage zu genießen. Zamorra seinerseits genoß den Anblick seiner hübschen Gefährtin, die auf überflüssige Textilien wieder mal verzichtete und ihren Luxuskörper nur mit einem knappen Tanga bekleidet den Sonnenstrahlen aussetzte.
    Erst hatte sie den Wagen einer Art gemäßigter Überschwemmung ausgesetzt; Autowäsche per Hand war angesagt, weil der Straßenkreuzer kaum heil durch irqendeine moderne Waschanlage zu manövrieren war. Also hatte Nicole selbst zu Schlauch und Schwamm gegriffen, und dabei durchnäßter Kleidung vorgebeugt, indem sie erst gar keine trug.
    »Ich habe etwas anderes zu tun«, erklärte sie und hielt Zamorra den politurwachsgetränkten Wattebausch entgegen.
    »Allerdings könntest du auch mal ein wenig mit zufassen, falls es dir zu langweilig wird, mich anzuschauen.«
    »Dabei wird's mir nie zu langweilig«, schmunzelte er. »Ich könnte dir stundenlang zusehen.«
    »Ohne über mich herzufallen und mich zu vernaschen? Du läßt nach, mein Bester.«
    »Du hast doch etwas anderes zu tun«, erwiderte er trocken. »Ich will dich dabei nicht stören, sonst gibst du mir hinterher wieder die Schuld, daß du nicht rechtzeitig fertig geworden bist…«
    »Fauler Hund«, grinste sie ihn an. »Glaubst du, du wärest in Mexiko?«
    »Wieso?«
    »Weil da mal einer nur deshalb hingerichtet worden ist, weil er keine Ausrede hatte… und um Ausreden bist du mal wieder gar nicht verlegen.«
    »Darin zeigt sich täglich meine überragende Genialität«, versicherte Zamorra ernsthaft.
    »Wer's glaubt, wird selig - und wer backt, wird mehlig«, ergänzte Nicole ein altes Sprichwort. »Na schön, kümmern wir uns um Eva. Hast du schon einen Plan?«
    »Ich arbeite daran«, erwiderte er. »Was wir wissen, ist: Sie hat uns geholfen, die offenen Zeitkreise zu schließen. Die Sache ist erledigt. Statt dessen sitzt jetzt sie in der Vergangenheit fest.« [1]
    »Sie sagte damals, sie sei so etwas wie ein Katalysator. Ihre Anwesenheit allein reiche aus, um die Zeitkreise zu schließen, die durch das Zeitpendel um Don Cristofero und die damalige Rettungsaktion mit Merlins Zeitringen entstanden sind. So weit, so schlecht - wie kriegen wir diesen Katalysator nun wieder in die Gegenwart? Sag mal… du schaust mich so grüblerisch an… erwartest du etwa, daß ich deinen Plan entwerfe?«
    Zamorra grinste flüchtig.
    »Nicht direkt. Ich dachte nur, du könntest mir dabei helfen, eine grundsätzliche Struktur hineinzubekommen und an den unwesentlichen Details mit feilen, wie zum Beispiel
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