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0641 - Grabgesang

0641 - Grabgesang

Titel: 0641 - Grabgesang
Autoren: Werner Kurt Giesa
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ich bis heute nicht begriffen habe, wie das funktionieren soll.«
    »Muß man immer alles begreifen?« fragte Nicole. »Kann man nicht einfach auch mal Dinge einfach so akzeptieren, wie sie sind? Das ist doch die - na, sagen wir mal ›Krankheit‹, von der unsere heutige Zivilisation befallen ist, daß es für alles eine rationale Erklärung geben muß, jederzeit wiederholbar, wissenschaftlich nachprüfbar. Genau das sorgt doch dafür, daß niemand mehr die magischen Phänomene ernst nimmt, mit denen wir es ständig zu tun haben, daß niemand noch an Dämonen glaubt…«
    »Ach, teilweise sorgen für diesen Glauben schon die Esoteriker«, brummte Zamorra. »Und die vielen Scharlatane unter ihnen sorgen ihrerseits dafür, daß Menschen wie wir nicht mehr ernstgenommen werden.«
    »Du kannst nicht alle über einen Kamm scheren«, warnte Nicole.
    Der Dämonenjäger nickte. »Stimmt schon. Aber die Vorurteile gehen in beide Richtungen. Weil es in beiden Bereichen zu viele Leute gibt, die Mist machen und Menschen betrügen. Die Schlimmsten sind die, die dafür auch noch Geld kassieren.«
    »Was uns in unserem speziellen Fall aber nicht weiterhilft«, sagte Nicole und verrieb ein weiteres Wachströpfchen auf dem Lack des Cadillac. »Sprich, großer Meister, was ist deine erklärte Absicht?«
    »Wir können recht genau herausfinden, zu welchem Datum wir seinerzeit das Jahr 1676 wieder verlassen haben«, sagte Zamorra. »Wenn wir dann vier Wochen dazurechnen, könnte das genau der Moment sein, in dem wir Eva zurückholen können.«
    »Könnte, wenn, das sind alles Dinge, die mir ein bißchen weh tun«, sagte Nicole. »Schaffen wir es nicht, das alles ein bißchen genauer zu definieren?«
    »Zeig mir einen Weg«, bat Zamorra.
    Sie hob abwehrend die Hände.
    »Also werden wir es ausprobieren müssen«, sagte Zamorra. »Nebenbei: zu jener Zeit, in die wir gehen, herrscht kein trübes, naßkaltes Schmuddelwetter, wie es hier bei uns in Europa üblich geworden ist, sondern ein richtig echter Sommer.«
    »Hilft mir das irgendwie weiter?« fragte Nicole. »Wenn ich mich nicht schwer irre, handelt es sich um ein recht puritanisches Prä-Amerika, in dem ich trotz sengender Hitze Hunderttausende von Unterkleidern und Unterröcken und Kleidern und Hemden und Blusen und Jäckchen und weißderteufelwasnochalles anziehen muß, um nicht bei den wenigen zu jener Zeit ansässigen Frauen in Ungnade zu fallen und von den vielen zu jener Zeit ansässigen Männern als verfügbares Freiwild angesehen zu werden. Zur Hölle mit einem Sommer, in dem ich mich winterlich verhüllen muß.«
    Zamorra zuckte mit den Schultern. »Wenn du das so siehst…«
    »Was soll das denn schon wieder heißen?« fragte sie energisch.
    »Wenn du keine Lust hast, weil es für dich an irgendwelchen Bekleidungs-Formalitäten scheitert, mache ich die Sache notfalls auch allein«, sagte er.
    »Was soll das denn schon wieder heißen?« wiederholte sie stirnrunzelnd.
    »Ich gehe allein in die Vergangenheit, finde Eva und hole sie zurück. Das hat«, sagte er nachdenklich werdend, »sogar Vorteile. Falls etwas schiefgehen sollte bei der Aktion, bist du noch hier in der Gegenwart, um eingreifen zu können. Um eine Rettungsaktion starten zu können, oder was auch immer gerade nötig sein wird.«
    Sie setzte sich auf die Motorhaube und sah ihn über die Frontscheibe des offenen Wagens hinweg an.
    »Ich wäre lieber selbst dabei«, sagte sie ernst. »Vor Ort kann ich dir auf jeden Fall besser helfen als hier, wo ich vielleicht aus Geschichtsbüchern erfahre, ob dich einer umgebracht hat -- wenn ich selbige denn lese. Bekleidungs-Formalitäten- so ein Quatsch. Glaubst du wirklich, das würde mich stören? Seit wann erkennst du nicht mehr, wenn ich scherze?«
    »Na schön.« Zamorra erhob sich und rieb sich unternehmungslustig die Hände. »Dann brauchen wir ja nur noch die Sachen zu packen, und los geht's…«
    ***
    Sie fühlte sich einsam. DeDigue war fort, dieser seltsame Mann, der recht verschlossen und abweisend wirkte, für Eva aber immer Zeit gehabt hatte. Aber er hatte nicht mehr länger hier bleiben wollen. Er war ein Abenteurer, es zog ihn fort.
    Es verblüffte sie immer wieder, wie wenig dieser Mann dem glich, den sie ein paar Jahrhunderte später kennengelernt hatte. Die gleiche Person, die gleiche innere Unruhe, und doch zeigte er ein ganz anderes Verhalten.
    Es war nicht so, daß Robert Tendyke ihr gereifter vorkam als Robert deDigue. Es war etwas ganz anderes,
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