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0641 - Grabgesang

0641 - Grabgesang

Titel: 0641 - Grabgesang
Autoren: Werner Kurt Giesa
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bei ›was passiert, wenn‹, und ›was passiert, wenn nicht‹…«
    Nicole zuckte mit den Schultern und widmete sich wieder dem Lack ihres Straßenkreuzers - da er sehr groß war, handelte es sich um sehr viel Lack, der poliert werden wollte…
    »Sie verschwand damals einfach, als wir in der Vergangenheit waren«, sagte sie. »Möglicherweise ist sie gar nicht freiwillig dort verblieben. Erinnere dich daran, wie sie bei uns auftauchte. Beim ersten Mal lag sie bewußtlos vor den Toren unseres Châteaus. Beim zweiten Mal trafen wir sie in Italien. Zwischendurch ist sie in Lyon ermordet worden - und zwar nachweislich. Wie also hängt das alles zusammen? Das Mädchen hat etwas, das wir bisher noch nicht einmal ansatzweise begriffen haben.«
    Zamorra nickte.
    Das einzige, was sie definitiv wußten, war: Eva besaß eine sehr seltsame Para-Fähigkeit. Sie konnte anderen magisch begabten Wesen deren magische Energie entziehen, um sie selbst zu verwenden. Wie das funktionierte, wußte bisher kein Mensch, und Eva selbst besaß über ihre Fähigkeit keine Kontrolle. Sie wollte diese Kontrolle auch nicht, weil ihr Para-Können ihr selbst unheimlich war.
    Was noch nicht hundertprozentig bewiesen war: Eva war Merlins Tochter.
    Eine seiner Töchter…
    Was dagegen absolut feststand, war ihr Tod in Lyon. Der Mörder hatte nur wenig später Selbstmord begangen. Inzwischen wußten Zamorra und Nicole, daß dieser Mörder im Auftrag des Erzdämons Lucifuge Rofocale gehandelt hatte.
    Wieso aber lebte Eva nach ihrer Ermordung wieder?
    Nichts an ihr deutete auf ein untotes Zombie-Dasein hin. Sie war keine Wiedererweckte. Nichts Schwarzmagisches war an ihr. Sie lebte wirklich.
    Aber das war noch nicht alles an Merkwürdigkeiten.
    Sie besaß keine Erinnerung an ihre Vergangenheit, sie wußte nicht einmal, wie sie hieß. Zamorra und Nicole hatten ihr den Namen Eva gegeben, und sie hatte sich damit einverstanden erklärt, da sie es einfach nicht besser wußte. Aber trotz ihres fehlenden Gedächtnisses beherrschte sie eine ganze Reihe von Sprachen völlig akzentfrei und so, als sei sie damit aufgewachsen - was Zamorra ein wenig an seine eigene Fähigkeit erinnerte, nahezu jede Sprache intuitiv zu begreifen und rasch zu erlernen.
    Hin und wieder schien es, als würden Erinnerungsfragmente in Eva durchbrechen. Dann entfuhren ihr Bemerkungen über etwas, von dem sie eigentlich gar nichts hätte wissen können. Aber das war dann auch schon alles; Nachfragen half nicht. Über die rudimentären Fragmente hinaus war keine Erinnerung vorhanden.
    Was das Rätsel um Eva nur noch weiter vergrößerte.
    Zamorra hatte alles ihm Mögliche versucht, Evas Erinnerungen zu wecken und zutage zu fördern. Aber da schien überhaupt nichts zu sein. Und ihre manchmal erfolgenden vagen Andeutungen kamen ihm eher hellseherisch vor als wirklichkeitsnah. Zumindest hatte er diesen Eindruck.
    Und jetzt war sie in der Vergangenheit zurückgeblieben, im Jahr 1676.
    Das war ganz bestimmt nicht ihre wirkliche Lebens-Zeit. Also mußte sie zurückgeholt werden in die Gegenwart. Aber wie?
    Zamorra hatte in den letzten Wochen immer wieder darüber nachgedacht, bisher aber noch keinen wirklich brauchbaren Weg gefunden. Er wußte nicht einmal, ob durch Evas Zurückbleiben nicht schon wieder irgendein Zeitkreis geöffnet worden war. Eva hatte zwar behauptet, allein ihre Anwesenheit würde genügen, um offene Kreise zu schließen, egal wie… aber Zamorra war da nicht völlig sicher. Vor allem war ihm nicht klar, wie das funktionieren sollte.
    Und woher Eva die Sicherheit nahm, es sei so…
    Gerade das machte ihn mißtrauisch. Woher wußte sie dies, wenn sonst alles, was ihre Herkunft und ihre Vergangenheit betraf, für sie im Dunkeln lag und mit keinem hypnotischen oder parapsychischem Trick ins Licht zu holen war?
    Würden sie sie überhaupt im Jahr 1676 wiederfinden?
    Oder war sie da längst wieder spurlos verschwunden, so wie ihr Leichnam aus Lyon spurlos verschwunden war - und wie sie umgekehrt zweimal praktisch aus dem Nichts aufgetaucht war?
    Vielleicht gehörte ihr diesmaliges Verschwinden zu den Geheimnissen, die zu ihr gehörten?
    Aber sie konnte damals nicht wirklich verschwunden sein.
    Zamorra entsann sich an das, was sein Freund Robert Tendyke gesagt hatte. Der Mann, der seit über 500 Jahren lebte, in wechselnden Identitäten, aber fast keine Spuren in der Geschichte des Planeten Erde hinterlassen hatte.
    Damals, 1676, war er als französischer Adliger aufgetreten.
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