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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden
Autoren: Caroline Graham
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* PROLOG
     
    So hatte er sich das nicht vorgestellt. Natürlich hatte er daran gedacht, sie zu töten (seitdem sie in sein Leben getreten war, hatte er kaum an etwas anderes gedacht), doch in seiner Vorstellung und seinen dunklen Träumen war alles ganz anders abgelaufen.
      Das Messer war dasselbe; das, welches er jetzt in der Hand hielt, mit dem er zustach, Schnitte zog, das er auf sie niedersausen ließ. Das er während seiner langen Proben benutzt hatte, wenn er im Auf- und Abgehen Pläne schmiedete, Strategien entwickelte und die tödlichen Stöße übte. Damals waren seine Bewegungen behende, war die Klinge hell und flink wie ein Silberfisch gewesen.
      Zwangsläufig hatte er auch seine Emotionen eingeübt: wenn er seine Scheinangriffe führte oder einen Satz nach vorn machte, spürte er sie in nuce; wie ein Schauspieler auf dem Weg zum vollen Verständnis seiner Rolle, wenn Herz und Talent noch nicht vollends entfaltet sind.
      Während dieser Scheinangriffe hatte er sich immer vollkommen unter Kontrolle. Natürlich war er erregt gewesen, natürlich voller Begierde und in gehobener Stimmung, doch nie hatte er das Gefühl gehabt, der Rolle des Scharfrichters nicht vollkommen gewachsen zu sein.
      Aber jetzt war alles schrecklich schiefgelaufen. Plötzlich hatte es ihn überkommen, und zwar keineswegs so, wie er erwartet hatte. Zunächst war die Umgebung anders. Obwohl sein eigenes Zimmer Schauplatz seiner Vorübungen gewesen war, hatte er sich immer vorgestellt, daß der eigentliche Mord an einem anderen, nicht näher bestimmten, möglicherweise leicht ausgefallenen Ort stattfinden würde.
      Zudem hatten sich seine Gefühle verändert. Ursprünglich waren wohl Lust, Erregung und Stolz im Spiel gewesen, doch war er nicht auf den überwältigenden Wandel seiner geistigen und körperlichen Empfindungen vorbereitet, der eintrat, nachdem er den ersten Schnitt gemacht hatte. Es war, als wäre tief in seinem Innern ein Licht angegangen, als wäre die Spannung rapide angestiegen. Die so entfesselte Energie war in nichts mit dem vergleichbar, das ihn durch seine Übungen und seine tägliche Routine gebracht hatte. Es war eine schwarze, kochende Flutwelle, die ihn mit sich fortriß, ihn zu immer größerer Raserei trieb, so daß er, als sie sich gelegt und ihn auf dem dunkelroten Bett zurückgelassen hatte, um sich sah und seinen Augen nicht trauen wollte.
      Aber vor allem war sie anders. Die Tatsache, daß sie einfach aufgetaucht war. Sich ihm fast angeboten, seine Hand geführt hatte. Und ihr Körper war anders. Er hatte darauf geachtet, daß das Messer immer so scharf geschliffen war wie eine glänzende Rasierklinge, und er hatte sich vorgestellt, daß es in ihren Körper eindringen würde, als wäre er aus Butter. Doch Scheinangriffe und Sprünge durch die Luft waren eine Sache, Fleisch und Blut eine ganz andere. Verschiedenes kam ihm in den Weg: Knorpel und Sehnen und harte weiße Knochen. Er wußte nicht, welcher Stoß sie getötet hatte. Es schienen so viele nötig zu sein.
      Regungslos kauerte er über ihrem Körper. Seltsamerweise war es völlig still. Niemand klopfte gegen die Decke, um sich zu beschweren, niemand kam die Treppe herauf, um an der Tür zu rütteln. Zitternd stand er jetzt auf, wusch sich die Hände, stopfte einige Sachen in eine Tasche, zog sich die Jacke an. Mit der wirklichen Welt kehrte allmählich auch das Gefühl für die Richtigkeit seines Tuns zurück. Er hatte nur getan, was zu tun war. Und wenn das Glück auf seiner Seite war, konnte dies nur ein weiteres Zeichen dafür sein, daß er richtig gehandelt hatte. Er ging zur Tür, ohne sich umzuwenden. Das alles lag jetzt hinter ihm. Er öffnete die Tür und trat auf den Flur.
      Bis zum nächsten Mal.
     
     

* 1
     
    Er hatte lange gebraucht, bis er die Photos beisammen hatte. Anfangs war er überhaupt nicht wählerisch gewesen. Jedes einigermaßen bekannte Gesicht war ihm recht. Er hatte selbst solche Leute an die Wand geheftet, die allein dafür berühmt waren, berühmt zu sein. Leute wie Bianca Jagger. Aber schon bald hatte sich dieses Verfahren als äußerst unbefriedigend erwiesen. Zum einen waren sie so schwer zugänglich. Bianca Jagger bekam man nie zu sehen. Sie trat weder im Fernsehen noch im Kino auf. Und niemals im Radio. Gelegentlich gab es Photos von ihr, die sie in einer bestimmten Bar oder Disco im Kreise gänzlicher unbekannter Leute zeigten. Deshalb mußte Bianca fort.
      Er fand ein gewisses
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