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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen
Autoren: Susanne Hanika
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nach dem ersten Gartenzaun aufgeben müssen, aber inzwischen stand sie sogar richtige Audienzmarathons durch. Die Schwierigkeit bei den Gehwagerln war der Metzger, der sich noch nicht auf die veränderte Wagerlsache eingestellt hatte und noch drei Stufen als Hindernis zu seiner Wursttheke hatte, was Anlass für ständiges böses Getuschel bot: »Alles haben wir ihm abgekauft. Sogar die Wiener, wie sie noch ganz fad g’schmeckt haben. Und dann macht er die Stufen nicht weg«, motterte die Gehwagerl-Fraktion.
    Ich hatte schon Legionen von Mitbürgern mit Gehwagerl vor mir gesehen. Aber denkste. Die Kathl hatte weder ein Gehwagerl noch sonstige krankenkassenschädigende Artikel gekauft. Soviel zum Thema Großmutter und ihre Aussagen.
    Ich antwortete also vorsorglich gar nichts, sondern beobachtete eine Amsel, wie sie über den Rasen hüpfte. Immer wieder erstarrend, die Schwanzfedern steil aufgerichtet, als würde sie damit rechnen, dass Großmutter ganz unvermutet etwas Seltsames tat. Ihr Kopf schoss immer wieder schnell nach vorne, dann pickte sie hektisch auf den Boden.
    »Was mach ma jetzt?«, hakte Großmutter mehr neugierig als ängstlich nach. Das plötzliche Frösteln, das mir über die Arme lief, schob ich darauf, dass ich in Großmutters Schatten saß.
    »Lass sie liegen«, schlug ich pragmatisch vor, in der Hoffnung, sie würde mir endlich aus der Sonne gehen.
    »Ach geh, Mädl«, erwiderte sie ärgerlich und setzte sich neben mich auf die Bank. »Wo denkst denn hin.«
    Wir schwiegen wieder ein Weilchen. Die Amsel flog in einen Busch, verschwand raschelnd im Unterholz. Ein Schwarm Stare flatterte vorbei, gemeinsam ohne Flügelschlag dahinsegelnd, bis auf einmal alle gleichzeitig wieder heftig mit den Flügeln zu schlagen begannen. Sie konnten sich nicht einigen, wo sie landen sollten, bis sie plötzlich mit rasender Geschwindigkeit in einem Baum einfielen, der bedrohlich zu schaukeln begann.
    »Was is?«, fragte Großmutter misstrauisch.
    »Die Stare«, erklärte ich ihr. »Wie die das schaffen. Die rauschen mit Vollgas in den Baum. Und man hört nicht, dass die zamrumsen. Oder bewusstlos von den Ästen fallen. Wie machen die das nur?«
    So etwas lenkte Großmutter meist ab. Da machte sie sich dann eine ganze Zeit lang Gedanken und vergaß ihr jeweiliges Lieblingsthema. Das absolute Top-Lieblingsthema ist und bleibt unser Luiciano – das war der Papst vor Johannes Paul dem Zweiten. Der war so unglaublich nett und ist so bald gestorben, dass es gar nicht wahr sein kann. Denkt jedenfalls Großmutter. Als Kind hatte ich immer gedacht, dass er bei uns im Kohlenkeller wohnt. Aber inzwischen glaube ich das nicht mehr.
    »Das ist doch alles ein Komplott«, sagte sie gerne dazu. Früher hatte ich dann immer an saftig eingelegte Birnen gedacht. Was auch für einen Papst wahrscheinlich nicht das Schlechteste war. Das zweite Lieblingsthema ist, je nachdem, wie es ihr gesundheitlich geht, die Sache mit dem Strahlenapparat. Das ist ein grauer Kasten, der aussieht, als wäre er eine mobile Abhöranlage aus der DDR. In Wirklichkeit hat er die Aufgabe, die ganze schädliche Elektronik, die uns umgibt, unschädlich zu machen. Beispielsweise dieser Zigarettenautomat vor dem Schmalzl-Wirt. Der strahlt manchmal so schlimm, dass es Großmutter sogar bei uns in der Küche merkt. Jedenfalls wenn der Strahlenapparat nicht angeschaltet ist. Wie er das macht und ob er das macht, interessiert mich inzwischen nicht mehr. Denn mittlerweile habe ich mich an den Kasten gewöhnt, der entweder auf dem Küchentisch oder auf der Kommode seine Funktion erfüllt oder auch nicht.
    Das dritte Lieblingsthema ist seit Neuestem der außereheliche Geschlechtsverkehr. Seitdem ich einen Freund habe, redet sie unglaublich gerne über die Sünde, als Kurtisane zu leben. Natürlich nicht auf mich bezogen, sondern allgemein gesprochen. Weil Max und ich – also mehr ich, weil Max eine sehr schlechte Erziehung genossen hat und nicht den nötigen Respekt vor göttlichen Strafblitzen und der Rache von Erzengeln hat – es nie wagen würden, etwas Verdächtiges hinsichtlich Kurtisanen zu unternehmen. Jedenfalls, wenn Großmutter zusieht. Aber immerhin weiß ich jetzt bestens Bescheid, wie das ist, so als Kurtisane.
    Großmutter hatte aber keine Lust, sich ablenken zu lassen. Sie machte ein Geräusch, das wie tststs klang. »Ruf doch die Polizei an. Wegen der Leich«, schlug sie vor.
    Na klar. Wegen der Leiche. Wegen der Stare wohl kaum.
    »Ach geh«, wiegelte
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