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Doktor auf Draht

Doktor auf Draht

Titel: Doktor auf Draht
Autoren: Richard Gordon
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    »In einem Flugzeug reisen ist fast dasselbe wie in einem Krankenhaus liegen«, eröffnete ich dem entzückenden Mädel auf dem Nachbarsitz.
    »In einem Krankenhaus! Ist das nicht ein recht schauriger Vergleich?«
    »Durchaus nicht.« Nach dem dritten Gratis-Martini sprühte ich vor Geist. »In beiden wird man durch höhere Gewalt zur Unbeweglichkeit verurteilt, muß die Mahlzeiten auf den Knien balancieren, kann nichts anderes tun, als Zeitschriften lesen und vor sich hindösen und wird von einer Schar gut gedrillter Mädchen betreut, die sich als halb so hübsch erweisen, wie man erwartete.«
    Das Mädel lachte.
    »Weiters«, beschloß ich meine Ausführungen, »möchte ich wetten, daß jeder Mensch, der in ein Flugzeug oder in ein Spital kommt, sich bange fragt, ob er es je wieder lebend verlassen wird. Noch einen Martini?«
    »Was, noch einen? Du guter Gott, nein. Ich hab noch nie mehr als einen vor dem Dinner getrunken.«
    »Aber unser Dinner liegt noch gute fünfhundert Meilen vor uns«, machte ich geltend.
    »Naja...« Das Mädel zögerte. »Wenn ich so täte, als ob es mein erster wäre...«
    »Tun Sie lieber so, als ob es Ihr Geburtstag wäre.«
    Ich drückte auf den kleinen Plastikknopf zu meinen Häupten. Wir befanden uns zwölftausend Meter über dem Atlantik und es war urgemütlich.
    Als ich in New York das Flugzeug bestieg, hatte ich das Mädchen gar nicht bemerkt. Wenn man ein Flugzeug besteigt, kann man überhaupt nichts bemerken; dafür sorgen die Leute, die einen durch die Lautsprecher ansprudeln, wichtigtuerische Mädchen in Uniform, die sich einzubilden scheinen, man wäre bei einem Ausflug geistig zurückgebliebener Kinder abhandengekommen, und all diese lebenswichtigen Papierwische, mit denen man auf Flughäfen überschüttet wird — wie von den Buchmachern beim Derby — und die man die ganze Zeit sucht. Ich boxte mich blindlings die Gangway hinauf, während ich mich danach sehnte, ein Wörtchen mit diesen geriebenen Burschen zu reden, die die Plakate für die Fluglinien entwerfen, jene Plakate, Sie wissen schon, auf denen man die Fluggäste im Passagierraum herumlungern sieht, lauter hübsche Jungen, die mit hübschen Mädchen leichte Konversation machen, und im Hintergrund sitzt strahlend ein liebes altes Pärchen, um zu zeigen, daß die ganze Sache so geruhsam wie eine Fahrt im Omnibus ist.
    Ich persönlich finde ja, daß man bei diesen modernen Flügen mit Supergeschwindigkeit zuerst den halben Tag damit verbringt, auf einem kleinen Plastiksessel im Flughafen zu sitzen und darüber nachzudenken, ob das wirklich der eigene Koffer war, den man eben Richtung Bangkok entschweben sah.
    Wenn es dann endlich gelungen ist, sämtliche Motoren gleichzeitig in Gang zu setzen, findet man sich an Bord, Schulter an Schulter mit irgendeinem fetten Kerl, der keine einzige bekannte Sprache spricht und unentwegt schauerliche Zigarren entzündet, oder inmitten eines Schwarms von Kindern, die einen von oben bis unten ankotzen — wie bei einem Tagesausflug nach Margate. Sie können sich also vorstellen, wie sehr ich mein Glück pries, als das entzückendste Mädel, das ich je in meinem Leben sah, mit der schlichten Frage: »Ist dieser Sitz noch frei?« sich für die nächsten acht Stunden neben mir niederließ.
    Als Engländer pflegt man natürlich nicht gleich ein Gespräch anzuknüpfen, selbst wenn man sich neben Kleopatra sitzen sähe, die sich für eine Nilfahrt fein herausgeputzt hat. Aber das muß ich den Flugzeugen zugute halten — gleich nach den Rettungsbooten eines Schiffes bieten sie eine unvergleichliche Gelegenheit, den weiblichen Fahrgast von nebenan kennenzulernen. All das Herumfummeln mit den Sicherheitsgürteln, das Betätigen der Vorrichtung, mittels deren man flach auf den Rücken geworfen wird, das Adjustieren der Düse, die einem einen Strahl eiskalter Luft in den Kragen bläst, tragen mächtig zu dem bei, was man »gemütliche Zweisamkeit« nennt. Von den Gratis-Martinis ganz zu schweigen.
    »Was halten Sie von New York?« fragte ich, bevor das Mädel Zeit fand, den munteren kleinen Wisch durchzulesen, in dem der Fahrgast Weisungen erhält, wie er sich bei einem Absturz des Flugzeugs zu verhalten habe. »Von der pompösen Skyline und dem ganzen Drum und Dran?«
    Sie blickte durch das Fenster auf Manhattan, das seine Finger durch die Wolken gegen uns streckte.
    »Ein Monstrum«, sagte sie.
    »Aber ein prächtiges Monstrum.«
    Das Mädel nickte. »Man könnte es wohl das Venedig des
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