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Doktor auf Draht

Doktor auf Draht

Titel: Doktor auf Draht
Autoren: Richard Gordon
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blickte auf den Fluß, der entlang der Straße dahinplätscherte.
    »Ich kann den alten Knaben nirgends entdecken.«
    »Bist du sicher, daß er nichts dagegen hat? Daß wir so ohne weiteres daherkommen?«
    »Seit ich ihn in New York aus dem Kittchen loseiste, würde er, glaube ich, nichts dagegen haben, wenn ich um Mitternacht mit einem Wanderzirkus daherkäme. Überdies hat er massenhaft Platz. Für gewöhnlich führt er eine Klinik für Geschäftsleute, augenblicklich aber macht er Ferien.«
    Lucy seufzte.
    »Wenn ich mich nach diesem Nachmittag nicht eine Woche lang entspannen und alles von mir wegschieben kann, werde ich genauso verrückt wie mein Bruder.«
    »Unser guter George macht mir ein bißchen Sorgen«, gestand ich. »Schließlich ließen wir ihn in den Klauen der Justiz zurück.«
    »Wenn sie ihn einsperren, wird Vater ihn nächste Woche nach seiner Rückkehr wieder freisetzen lassen. Obzwar ich glaube, kein Gefängnis, das auf sich hält, würde George so lange bei sich dulden.«
    »Hier ist das Haus«, erklärte ich, als Sir Lancelots Gittertor in Sicht kam.
    Ich stellte mit Überraschung fest, daß das Tor geschlossen, oben mit Stacheldraht versehen war und die große rote Aufschrift EINTRITT VERBOTEN trug.
    »Am Ende hat es der alte Knabe verkauft«, vermutete ich bestürzt, als ich dem Wagen entstieg, um Nachforschungen anzustellen.
    Da das Tor unversperrt war, schwenkte ich die Flügel auseinander, damit Lucy einfahren könne. Als ich wieder einsteigen wollte, tauchte Sir Lancelot persönlich hinter der Zierhecke auf.
    »Guten Abend, Grimsdyke«, begrüßte er mich äußerst aufgeräumt. »Welch unerwartetes Vergnügen, nicht wahr?«
    »Oh, guten Abend, Sir.« Ich starrte ihn fassungslos an.
    »Ist dies ein vorübergehender Besuch? Oder gedenken Sie bei mir zu bleiben?«
    »Nun ja, ich — äh — wollte Sie fragen, Sir, ob Sie uns für einige Tage unterbringen können. Aber ich sah nicht voraus — «
    »Sie kommen mit Begleitung? Steigen Sie nur aus, junge Dame. Ich fresse Sie nicht auf. Ich erinnere mich sogar an Sie. Vergesse nie ein Gesicht oder einen Unterleib. Ich habe seinerzeit — unter erheblichen Kosten für Ihre Familie — geraten, Ihr Vater möge sich den Magen und Sie sich die Mandeln entfernen lassen. Ich glaube, aus keinem dieser Vorschläge wurde etwas.«
    »Guten Abend, Sir Lancelot. Nein, leider nicht«, erwiderte Lucy unerschüttert.
    »Pure Geldverschwendung.« Sir Lancelot beroch eine Rose, die er zufällig in der Hand trug. »Endlich bin ich so weit, die lachhafte Unwichtigkeit des Geldes und allen äußerlichen Putzes dieser Welt zu erkennen. Ein schöner Abend heute, nicht wahr?«
    »Finden Sie’s nicht ein wenig kühl, Sir?« deutete ich an.
    »Jetzt noch nicht. Vielleicht ein bißchen später.« Sir Lancelot hielt inne, um den Vögeln zu lauschen. »Entzückend. Ganz wie bei Ihrem letzten Besuch, Grimsdyke.«
    Das stimmte, nur hatte diesmal Sir Lancelot nichts an.
    »Zurück zur Natur, Grimsdyke. Nichts kann sich mit körperlicher und geistiger Gesundheit messen. Dies wurde mir bewußt, als ich anfangs der Woche meine Frau zu einem Ferienaufenthalt nach Skandinavien brachte. Ich nehme an, sie wird sich nach ihrer Rückkehr hier völlig heimisch fühlen. Natürlich ist meine Sonnenklinik noch kaum richtig ausgebaut, aber wir werden bestimmt noch vor dem nächsten Winter hier eine Menge wohlbekannte Leiber sehen. Sie beide können selbstverständlich meine Gäste sein, solang Sie wollen.«
    »Ich glaube, Sir, wir sollten lieber weiterfahren —«
    »Da dies hier eine Klinik und kein Lager ist, sondere ich untertags die Geschlechter. Für das Dinner kleiden wir uns an.«
    »Das Arrangement paßt uns vortrefflich, Sir Lancelot«, sagte Lucy. »Wir haben sowieso kein Gepäck.«
    »Ausgezeichnet, meine Liebe. Wollen Sie so freundlich sein, sich in die entgegengesetzte Richtung zu begeben und sich bei der Oberin zu melden? Grimsdyke, Sie kommen mit mir. Wir können vor Einbruch der Dämmerung immer noch ein nettes Basketballspielchen mit den anderen austragen.«
    »Hör mal, Lucy — meinst du das wirklich im Ernst?«
    »Natürlich, Gaston. Ich bin dafür, alles zu versuchen. Überdies: was hab ich mit meiner Figur schon zu befürchten?«
    »Kommen Sie, Grimsdyke.«
    »Lucy — «
    »Ja, Gaston?«
    Ich schluckte. »Lucy, da ist noch was, das ich dir einfach sagen muß.«
    »Ja, Gaston?«
    »Diese Biene. Auf deinem Nacken. Sie gehörte zu jener Sorte, die nicht
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