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Doktor auf Draht

Doktor auf Draht

Titel: Doktor auf Draht
Autoren: Richard Gordon
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sogar, ich eine recht nette Stimme.«
    »Welch ein Feuer! Welche Persönlichkeit! Welch ein Auftreten! Welche Würde, welche Zielbewußtheit! Meine Damen und Herren«, Basil zerrte Anemone an die Rampe. »Dieser Nachmittag ist der stolzeste in meinem Leben. Nach monatelangem Suchen in Amateur-Theaterverbänden und Provinzrepertoires ganz Englands habe ich sie endlich gefunden. Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, Ihnen die junge Unbekannte vorzustellen, die — natürlich erst nachdem sie probegespielt, den Kontrakt unterzeichnet und mich zu ihrem Privatagenten gemacht hat — die Ehre haben wird, an meiner Seite in der künftigen Neugestaltung von Shaws unsterblicher >Heiliger Johanna< zu spielen; das Stück wird demnächst in London als ein Musical unter dem Titel von >My Fair Lady von Orleans< uraufgeführt werden.«
    Diese Ankündigung trug ihm von seiten der Zuhörer tobende Beifallskundgebungen ein; nun schien der ganze Nachmittag weit besseren Anklang zu finden als die Bunten Abende. Fast hätte ich den Lagerkommandanten überhört, der abermals aufgetaucht war, um mir mit noch verwirrterer Stimme anzukündigen: »Doktor, die Polizei sucht Ihren Freund.«
    »Da ist er!« schrie ein junger Mann mit Schnurrbart und großer Brille, der, gefolgt von zwei Whortletoner Wachleuten, den Mittelgang herabeilte. »Da ist der Schurke! Nicht zufrieden damit, mir mein Mädel abspenstig machen zu wollen, verrät er noch dazu Staatsgeheimnisse, jawohl! Verräter! Überläufer! Abtrünniger! Elende Ratte!«
    »Na so was«, protestierte Squiffy. »Das ist ja ganz verkehrt. Nicht ich bin der Verräter. Sie sind’s, verdammt nochmal!«
    »Sie haben meine Noreen zu verführen versucht, jawohl!«
    Squiffy starrte ihn an. »Hör mal, Kam’rad, ich kann alles erklären...«
    »Kam’rad! Kam’rad haben Sie mich genannt, was? Das genügt als Beweis, was, Officer? Mich, einen Pfeiler der Jungkonservativen.«
    »Kommen Sie lieber gleich auf die Wachstube mit, Sir«, forderte ihn der Polizeiinspektor auf.
    Squiffy begann mit den Polizisten zu debattieren. Frau Direktor Hilda begann mit Basil zu debattieren. Und sämtliche Anwesende im Saal begannen plötzlich miteinander zu debattieren.
    »Zurückgeblieben«, flüsterte mir Lucy ins Ohr.
    »Wie bitte?«
    »Zurückgeblieben. Mein Leben lang hab ich versucht, das richtige Wort für meinen Bruder zu finden. Jetzt hab ich’s.« Sie sah sich ruhig um. »Gaston, Lieber, mein Wagen steht draußen. Fahren wir?«
    »Ob wir fahren? Aber was ist mit Basil?«
    »Basil?« erwiderte Lucy schlicht. »Basil kann zu Fuß gehen.«

27

    Die Sonne löschte die Walisischen Berge aus, und die Schatten hatten begonnen, das Licht des Tages über den sprudelnden Wassern des Usk-Flusses zu filtern. Es nahte jener magische Augenblick eines Sommerabends, da die Mücken wie ein Nebel von der Wasseroberfläche aufsteigen und dicke Fische mit geziemender Würde in den sonnenlos gewordenen Teichen blubbern, da die Sportfischer hoffnungsfroh ihre Angeln heben und dem Himmel danken, daß er seinen Geschöpfen eine so wundervolle Welt zur Wohnstätte gegeben hat, bevor sie ihr so viele Fische als nur möglich vor dem Abendessen zu entreißen trachten.
    »Armer Gaston«, flüsterte Lucy, auf die Dritte schaltend, als ihr Aston eine Kurve nahm.
    »An alldem bin wohl ich zum größten Teil schuld«, gab ich zu. »Ich bin, alles in allem, ein rechter Schafskopf gewesen.«
    »Ja, das warst du wirklich«, bestätigte Lucy fröhlich. »Aber du besitzt solch einen süßen Charakter, Gaston!«
    »Oh, nicht doch — «
    »Du tust stets alles mögliche für alle möglichen Leute. Du läßt dich völlig gedankenlos von den Menschen herumstoßen, wie eine Drehtür.«
    »Oh, aber — «
    »Dieser dein Cousin, zum Beispiel.« Ich hatte Lucy die ganze Geschichte während unserer Überlandfahrt erzählt. »Du solltest ihm einmal die Stirn bieten, Gaston. Ihm auf die Zehen steigen und ins Gesicht spucken.«
    »Gar nicht so leicht, jemandem ins Gesicht zu spucken, von dem man einst eine Tracht Prügel dafür bekommen hat, daß man mit einem Topf Erdbeerjam unter der Bettdecke erwischt wurde.«
    »Wie jammerschade, Gaston«, fuhr Lucy fort, »daß dir kein Mensch zur Seite stand, um deine Partei gegen diese Leute zu ergreifen.«
    »Wirklich ein Jammer.«
    »Jemand mit Charakterstärke.«
    »Wie wahr.«
    »Einer, der weiß, was er will.«
    »Genau.«
    Wir bogen wieder um eine Kurve.
    »Sind wir nicht gleich dort?« fragte Lucy.
    Ich
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