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Sieben Jahre später

Sieben Jahre später

Titel: Sieben Jahre später
Autoren: Guillaume Musso
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Kapitel 1
    Eingekuschelt in ihr Bett, beobachtete Camille die Amsel, die auf der Fensterbank saß. Der Herbstwind strich durch die Baumkronen, die Sonne spielte mit dem Laub, dessen Schatten auf das Glasdach fielen. Obwohl es die ganze Nacht geregnet hatte, war der Himmel tiefblau und kündigte einen schönen Oktobertag an.
    Am Fuß des Bettes hob ein Golden Retriever mit cremefarbenem Fell den Kopf in ihre Richtung.
    »Komm her, Buck, komm her«, rief Camille und klopfte auf ihr Kissen.
    Der Hund ließ sich nicht zweimal bitten. Mit einem Satz war er bei ihr und nahm seine morgendlichen Streicheleinheiten entgegen. Das junge Mädchen kraulte seinen Kopf und seine hängenden Ohren, dann gab sie sich einen Ruck.
    Na los, meine Liebe!
    Widerwillig verließ sie ihr warmes Bett, hatte aber im Handumdrehen Trainingsanzug und Turnschuhe angezogen und ihr Haar zu einem lockeren Knoten gebunden.
    »Auf geht’s, Dicker, ab zum Joggen!«, rief sie und rannte die Treppe ins Wohnzimmer hinunter.
    Die um ein zentrales Atrium angelegten drei Stockwerke des Hauses lagen im Sonnenlicht. Das elegante Brownstone-Gebäude war seit drei Generationen im Besitz der Familie Larabee.
    Modern und minimalistisch eingerichtet, erinnerte es trotz der wertvollen Bilder aus den 1920er-Jahren – signiert von Marc Chagall, Tamara de Lempicka und Georges Braque – mehr an die Wohnungen von Soho und TriBeCa als an die der sehr konservativen Upper East Side.
    »Papa? Bist du da?«, fragte Camille, in der Küche angelangt.
    Sie schenkte sich ein Glas Mineralwasser ein und sah sich um. Ihr Vater hatte bereits gefrühstückt. Auf der lackierten Küchentheke standen eine halb leere Tasse und ein Teller mit einem Bagelrest, daneben lagen das Wall Street Journal , das Sebastian Larabee jeden Morgen durchblätterte, und ein Exemplar des Strad Magazine , einer Fachzeitschrift für Saiteninstrumente.
    Camille lauschte und hörte aus dem ersten Stock das Rauschen der Dusche. Ihr Vater war offensichtlich im Badezimmer.
    »Hey!«
    Sie gab Buck einen kleinen Klaps und schloss die Kühlschranktür, damit ihr Hund nicht das halbe Brathähnchen stibitzen konnte.
    »Du bist erst später dran, du Vielfraß.«
    Sie setzte ihre Kopfhörer auf, verließ das Haus und lief die Straße hinauf.
    Der Wohnsitz der Larabees lag in der baumbestandenen 74th Street zwischen Madison und Park Avenue. Trotz der frühen Stunde war das Viertel bereits belebt. Taxis und Limousinen fuhren an den herrschaftlichen Stadthäusern und den luxuriösen Villen vorbei. Uniformierte Portiers überschlugen sich geradezu vor Eifer, um Yellow Cabs herbeizuwinken, Wagentüren zu öffnen, Gepäck ein- und auszuladen.
    Camille bog in die Fifth Avenue, lief die Millionaires’ Mile, den Boulevard der Millionäre, hinauf, an der sich, entlang dem Central Park, die berühmtesten Museen der Stadt reihten – Met, Guggenheim, Frick Collection …
    »Komm, mein Süßer, ohne Fleiß kein Preis!«, feuerte sie Buck an und beschleunigte den Schritt, als sie den Joggingweg erreicht hatte.
    Sobald er sicher sein konnte, dass seine Tochter gegangen war, verließ Sebastian Larabee das Bad. Er betrat Camilles Zimmer zu seiner wöchentlichen Inspektion, die er eingeführt hatte, als seine Tochter in die Pubertät gekommen war.
    Er blickte finster drein, hatte die Stirn gerunzelt, denn er beobachtete seit mehreren Wochen, dass Camille verschlossener war und sich weniger auf die Schule und ihren Geigenunterricht konzentrierte.
    Sebastian blickte sich um: ein geräumiges Mädchenzimmer, ganz in Pastelltönen gehalten, das eine beruhigende und romantische Atmosphäre ausstrahlte. An den Fenstern schimmerten duftige Vorhänge im Sonnenlicht. Auf dem großen Bett lagen farbige Kopfkissen und eine zusammengerollte Decke. Ganz automatisch schob er die Decke beiseite und setzte sich auf die Matratze.
    Er griff nach dem Smartphone, das auf dem Nachtkästchen lag. Ohne zu zögern, gab er die Pin ein, die er eines Tages, als seine Tochter arglos neben ihm telefonierte, aufgeschnappt hatte. Der Apparat schaltete sich ein, und Sebastian spürte, wie ihm das Adrenalin in die Blutbahnen schoss.
    Jedes Mal, wenn er in die Intimsphäre seiner Tochter eindrang, fürchtete er sich vor dem, was er entdecken könnte.
    Auch wenn das Ergebnis bislang negativ war, setzte er seine Kontrollen fort.
    Er überprüfte sämtliche Anrufe. Er kannte alle Nummern. Die der Freundinnen aus der St. Jean Baptiste High School, der Geigenlehrerin, der
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