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Im Zeichen der blauen Flamme

Titel: Im Zeichen der blauen Flamme
Autoren: Federica de Cesco
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Hände in den weiten Ärmeln ihrer Kleider verborgen. Ich trug ein Gewand aus blendend weißer Seide. Eine scharlachrote Schärpe war um meine Hüften geschlungen. Alle Augen richteten sich auf mich, als ich auf den Stufen vor den Pfosten erschien. Ein dumpfes Murmeln stieg aus der Menge. Der Wind peitschte die Standarten. Die Wachen standen regungslos Spalier, als ich unter dem braunen Strohdach der Galerie zwischen ihnen hindurchschritt. Alle trugen lange, mit Wimpeln besetzte Lanzen.
    Iri saß, einer Statue gleich, in einer nicht verhängten Sänfte, die von vier geharnischten Kriegern getragen wurde. Seine Bronzerüstung schmiegte sich so eng an seinen Körper, dass sie mit seiner Haut verwachsen schien, und die goldenen Zierketten bebten bei jedem Atemzug. Sein Helm war mit Goldplatten an Stirn und Wangen belegt und mit einem geschnitzten Hirschgeweih geschmückt; einen Bogen und Pfeilköcher trug er über der Schulter, als zöge er in den Krieg. Er deutete eine Verbeugung an, die ich kühl erwiderte. Unsere Augen sprachen vom Kampf, den wir miteinander ausfochten.
    Die zehn ausgesuchten Männer meiner persönlichen Leibgarde umstanden meine Sänfte. Ihr Befehlshaber hieß Yeasu. Er war breitschultrig und stolz, die Augen pechschwarz und scharf, dunkelhäutig das Gesicht.
    Ich bestieg die Sänfte und nahm mit aufrechter Haltung darin Platz. Maki zog die Vorhänge dicht zu, während Etsu und Hana hinter mir in einen Tragsitz stiegen. Yeasu gab den Befehl zum Aufbruch. Die fünfzig Reiter, die den Zug anführten, setzten sich in Bewegung. Die Träger schulterten die Stangen der Sänften und folgten dem Zug. Die Sänfte des Königs wurde vorangetragen, meine war gleich dahinter. Weitere hundert Reiter schlossen sich uns an. Das Fußvolk bildete den Schluss.
    Die Hufe schlugen mit dumpfem Geräusch auf den Sand, während der Zug den Innenhof durchquerte. Vor dem Tor und auf allen Mauern der Befestigungsanlagen hatten schwer bewaffnete Wachen Aufstellung genommen. Der mächtige hölzerne Querriegel wurde zurückgeschoben; die riesigen eisenbeschlagenen Flügel des Festungstores schwangen auf. Das Fallgitter war hochgezogen. Die Holzbrücke dröhnte, als die Hufe darüber hinwegklapperten. Durch die Ritzen der Vorhänge sah ich den smaragdgrünen Wasserspiegel des Grabens. Eine Weile lang folgten wir der Ringmauer. Wir stiegen eine leichte Anhöhe hinunter und schlugen dann den Weg zum Meer ein. Das grelle Sonnenlicht drang durch die Vorhänge, die sich im Wind bauschten. Ich bedeckte meine Lider mit den Händen und betete zur Göttin: »Mutter, du ewig Strahlende, die du alles beherrschst, was sich unter dem Himmel erstreckt, das Land und das Meer, lass nicht zu, dass du geschmäht wirst, sondern behandle mich wie deine Tochter!«
    Als wir den Strand erreichten, frischte der Wind auf. Die Sänften wurden im Sand abgesetzt. Maki zog die Vorhänge zurück; ich blinzelte in die gleißende Helle, atmete den Geruch von Seetang und Salz. Das Meer war wie flüssiger Türkis, von schäumenden Wellen gekrönt. Hier und da ragten Felsklauen hervor. Das Wasser sah sehr kalt aus.
    Ein Baldachin war für den König und sein Gefolge an einer geschützten Stelle errichtet worden. Iri nahm mit seinem Hofstaat auf Brokatkissen Platz, während sich die geharnischten Reiter in einer langen Phalanx aufstellten. Hinter ihnen drängte sich das Fußvolk. Alle Anwesenden mussten ihre Schnallen, Gürtel und Bänder lösen; keine einzige Schnur durfte verknotet sein, so verlangte es das Ritual.
    Obwohl so viele Menschen am Strand versammelt waren, wurde es still, als ich der Sänfte entstieg. Die See schäumte, die Standarten flatterten ungestüm. Der Wind wirbelte den mehlfeinen Sand auf. Zwischen meinen Zehen knirschten Sandkörner, Haare und Augenbrauen waren weiß überpudert. Die Sonne leuchtete grell und hart am Himmel. Ich hob den Blick, versuchte, ihrem Glanz standzuhalten, und rote Kreise begannen, sich vor meinen Augen zu drehen.
    Mit einer Rute aus Weidenholz zogen Etsu und Hana einen Kreis in den Sand. Ich kniete mich in seiner Mitte nieder und sprach halblaut das Gebet, das mir zur Vision verhelfen sollte: »Mein Körper besteht nur aus Augen. Schaut ihn an! Betrachtet ihn und fürchtet euch nicht! Ich sehe in alle Richtungen …«
    Ich löste meine Schärpe und die Bänder
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