Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Zeichen der blauen Flamme

Titel: Im Zeichen der blauen Flamme
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
Iri erwiderte gelassen meine Verbeugung, aber seine Augen flackerten nervös: Ich merkte, dass er auf der Hut war.
    Â»Im Namen aller Anwesenden heiße ich Euch willkommen, Toyo-Hirume-no-Mikoto«, sagte er verbindlich. »Es ist uns eine große Ehre, Euch in der heutigen Sitzung begrüßen zu dürfen. Wir haben Dringendes zu besprechen und Euer Rat ist uns sehr willkommen.«
    Er winkte einem Diener, der in aller Eile ein Kissen herbeischaffte. »Geruht, Majestät, an meiner Seite Platz zu nehmen.«
    Ich rührte mich nicht und antwortete auch nicht mit den üblichen Höflichkeitsfloskeln. Es kostete mich meine ganze Kraft, meine Erregung zu verbergen, doch ich wusste, dass die ungeheure Spannung trotzdem zu spüren war. Iri wartete, anscheinend gleichmütig. Die Männer verharrten regungslos, mit steinernen Gesichtern.
    Ich holte tief Atem. Die Hände in den weiten Ärmeln meines Gewandes verborgen, sprach ich mit klarer, ruhiger Stimme: »Eure Majestät möge zur Kenntnis nehmen, dass in dieser Nacht das Sternenschwert aus dem Heiligtum geraubt wurde. Der Anstifter dieser Tat soll von Schreckgespenstern verfolgt werden. Die Gunst der Göttin sei ihm für alle Zeiten verwehrt!«
    Eine Bewegung ging durch den Raum. Die Männer wechselten bestürzte Blicke. Ihr Erstaunen war echt. Ich sah, wie Iris Rücken sich versteifte. Eine Ader begann, an seiner Stirn zu pochen, und seine Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen. »Beschuldigt Ihr mich, das Schwert aus dem Heiligtum entfernt zu haben?«
    Â»Bestreitet Ihr es?«, erwiderte ich eisig.
    Er starrte mir ins Gesicht und ich hielt seinem Blick stand. Unsere Augen maßen sich unnachgiebig. Es wurde noch stiller im Raum. Die Männer hielten den Atem an.
    Unvermittelt zischte Iri: »Dem Schwert eines Verräters gebührt es nicht, im Heiligtum aufbewahrt zu werden. Ich gab den Befehl, es zu entfernen. Ich ließ es aufs Meer hinausbringen und dort versenken.«
    Der Raum drehte sich und es wurde mir schwarz vor den Augen. Meine Glieder jedoch zitterten nicht, und ich hielt mich aufrecht, aber die Furcht schnürte mir die Kehle zu. Mir schien, dass der Raum sich in Nebel auflöste. Ich sah ein grünes, schillerndes Leuchten, in dessen Mitte ein strahlenähnliches Feuer glühte, das zuerst in ein bleiches Weiß, dann wieder in Silber zurückschlug. Ein Stöhnen entfuhr mir. Ich schnappte nach Luft, füllte meine Lungen damit und stieß sie langsam wieder aus. Die Vision erlosch. Ich starrte in Iris hochmütiges Gesicht und kämpfte gegen die Wut an. Keuchend stieß ich hervor: »Ich, Toyo-Hirume-no-Mikoto, Priesterin der Sonne, klage Euch des Frevels an. Fürchtet den Zorn der Göttin!«
    Iris Lippen wurden weiß. »Das Schwert war mit Unheil behaftet. Habt Ihr vergessen, dass mein Bruder Itzuse durch diese Waffe den Tod fand?« 1
    Â»Ihr hattet die Riten missachtet! Die Kraft des Schwertes wandte sich gegen Euch!«
    Iri blieb mir die Antwort nicht schuldig. »Euer Verwandter beging nicht allein Verrat, er hat auch seine Seele den Mächten der Finsternis verschrieben!«
    Im Gegensatz zu Iris scharfer Stimme klang meine eigentümlich sanft. »Was sind Licht und Finsternis, wenn nicht das wechselvolle Spiel der unergründlichen Ordnung?«
    Iri blickte mich an, als ob er mich mit den Augen erschlagen wollte. »Das Schwert ist versenkt und wird niemals wieder auftauchen! Die Macht des Herrschers von Izumo ist gebrochen. Heute Nacht ließ ich ihm durch eine Brieftaube die Botschaft übermitteln, dass sein Schwert auf dem Meeresgrund verrostet. Wenn er es zurückhaben will …«, Iri gluckste hämisch, »… dann soll er sich in einen Fisch verwandeln!«
    Ich holte tief Atem. »Der Herrscher von Izumo«, sprach ich, »vertraute das Sternenschwert meiner Obhut an. Indem Ihr die Waffe aus dem Heiligtum entfernen ließt, habt Ihr die Göttin und mich, ihre Priesterin, beleidigt. Es ist meine Pflicht, der Ehre der Göttin und meiner eigenen Ehre Genugtuung zu verschaffen.«
    Im tiefen Schweigen ließ ich meine Blicke über die Männer schweifen. »Alle, die Ihr hier anwesend seid, wisset, dass ich, wenn die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hat, in einem Boot aufs Meer hinausfahren werde. Man rufe die Krieger zusammen. Vor den Augen der Armee will ich tauchen und das Schwert aus dem Ozean bergen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher