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Im Rachen des Alligators

Im Rachen des Alligators

Titel: Im Rachen des Alligators
Autoren: Lisa Moore
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eine Schneewehe, wobei im Zimmer eine unerträgliche Hitze herrscht. Sie sollte aufstehen und die Vorhänge zuziehen, aber sie ist zu müde. Alle glauben, der Film sei ihr Schwanengesang. Es gab Briefe, die von Flemings hinfälliger Mutter handelten und von der Suppe, die er ihr zubereitet hatte. Zwiebelsuppe. Im Vatikan hatte man ein offenes Ohr für Fleming. Er hatte mehrere Kirchen aufgebaut. Kirchen errichtet – so sagte man wohl. An sich wäre er dem Ruf des Vatikans natürlich gefolgt, schließlich kam er vom Heiligen Vater höchstpersönlich, doch stattdessen kniete Fleming im Dreck und zog Zwiebeln für seine sieche Mutter aus dem Boden. Eure Heiligkeit werden das sicher verstehen.
    Sie sieht Fleming mit dem Meer im Rücken vor sich, seine Robe bauscht sich im Wind, er hebt die Arme, und damit beginnt das Hämmern und Sägen; eine Glocke wird hochgezogen. Er wollte silberne Kelche in sämtlichen Kirchen der Küste.
    Wir alle wollen irgendetwas.
    In einem Brief ist die Rede von Pferden, sagt Fleming, der in der Zimmerecke steht. Er war schmeichlerisch und scharfzüngig in seinen Briefen, jeder Satz geschwellt von Hass und Verlangen. Natürlich hätte er den Papst besucht, doch seine alte Mutter bedurfte der Pflege. Jemand hatte die Eucharistie in Papier eingeschlagen und sie so die Küste hinunter gebracht, und Fleming brüllte, binnen eines Jahres werde es von St. John’s bis Renews überall silberne Kelche geben.
    Der Leib Christi, in Papier, so wie man Fleisch verpackt. Schon seit Tagen spürte sie ein Kribbeln im Arm und auf der einen Seite ihres Gesichts. Und eine leichte Lähmung, von der sie niemanden erzählte. Nicht jetzt: Fleming, rot vor Wut, seine gelben Zähne, er schreit sie auf lateinisch an. Warum muss er schreien?
    Die Schmerzen lassen sie nicht mehr los, drücken ihr die Luft ab, und sie wählt Martys Nummer. Vielleicht muss sie diesmal doch ins Krankenhaus. Sie will mit Marty reden.
    Sie will Reue auf der Leinwand, und Isobel kann Reue verkörpern. Sollte der Film nicht fertig werden, wird Isobel sich etwas anderem zuwenden. Das Telefon klingelt, aber niemand geht ran. Vielleicht fährt Marty sein neues Kind spazieren. Das Kind hat ihn um zehn Jahre jünger gemacht.
    Madeleine, hat er gesagt. Du solltest sie mal sehen.
    Sich in das Dunkel eines Nickerchens sinken lassen – aber das darf sie sich nicht erlauben. Sie muss wach bleiben, wegen des Telefons. Wenn das Telefon klingelt, wird sie es hören. Sie wartet auf Nachricht wegen der Pferde; nein, die Pferde sind längst da. Sie wartet auf Marty. Sie hat den Winterdreh abgeschlossen, und Isobel war großartig. Die Pferde kamen aus einer Sturmbö galoppiert. Sie verschwanden, hintereinander, Kopf an Schwanz. Marty wird anrufen, und sie wird ihm sagen, dass sie einen Notarztwagen braucht. Das junge Mädchen setzte sich im Bett auf. Sie muss diese Pferde von dem Frachter herunterbekommen, jemand hat etwas von einem Hubschrauber gesagt. Der Film wird ein Monument werden.
    Das Problem ist, am Leben zu bleiben, bis die Dreharbeiten abgeschlossen sind. Dann wird sie nach Kuba fahren und sich erholen. Sie wird sich die Hucke vollsaufen und am Strand in der Sonne rösten. Aber erst muss sie den Dreh hinter sich bringen. Danach wird sie sich erholen, sich ihrem Alter entsprechend verhalten.
    Ich möchte Colleen wieder lieben, hatte Beverly gesagt.
    Und, kannst du das nicht? Kannst du Colleen nicht lieben?
    Beverly verschränkte die Arme vor der Brust, vergrub die Fäuste unter den Armen.
    Sie erzählt es dem Erzbischof. Das kann er haben, wenn er schon nicht gehen will. Sie können zusammen auf das Telefon warten. Nein, die Tiere sind schon eingetroffen. Der Winterdreh ist abgeschlossen.
    Die großen Monumente, sagt sie ihm. Man tut alles, um sie zu sehen, aber sie bleiben nicht im Gedächtnis haften.
    Sie hatte das Taj Mahal besichtigt, bei Sonnenuntergang, wie empfohlen. Aber sie denkt nur selten an das Taj Mahal. Es ist eine bestimmte Allee, die ihr immer wieder in den Sinn kommt, so lebendig, als stünde sie wieder dort. Diese staubige Allee bleibt ihr erhalten, sie taucht kurz auf, fegt durch sie hindurch, wie wenn eine Strömung eine alte Muschel am Meeresgrund aufwirbelt, wo es stockfinster ist, ein vergessener Nachmittag vor vierzig Jahren. Und ja, gesteht sie Fleming zu, gut möglich, dass sie gerade einen Herzinfarkt erleidet. Sie stirbt in einem Sessel, den sie bei der Heilsarmee gekauft und selbst wieder hergerichtet hat.
    Der
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