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Im Netz der Sinnlichkeit

Im Netz der Sinnlichkeit

Titel: Im Netz der Sinnlichkeit
Autoren: Nalini Singh
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lehnte sich an die Höhlenwand, die zur Tarnung mit Farnen bewachsen war, atmete tief ein und unterdrückte das Bedürfnis, die beiden Kinder sofort in die Arme zu schließen. Er hätte Tyler heute verlieren können.
    Walker seufzte, wandte sich um und sah eine Frau auf sich zukommen. Bestürzt registrierte er, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass sie sich genähert hatte.
    »Tyler ist aufgewacht.« Sie lehnte sich neben ihn an die Mauer. »Er kann sich an nichts erinnern, und das halte ich für einen Segen.«
    Er nahm ihre Hand, die ganz kalt war. »Wie geht es dir?« Sie sah angestrengt aus, tiefe Falten hatten sich um ihren Mund eingegraben. »Hat Siennas Energie dir nicht geholfen, dich zu regenerieren?«
    »Ich habe sie nicht gebraucht, musste mich nur sehr konzentrieren.« Sie ließ seine Hand los und winkte Marlee zu, als diese zu ihnen herüberschaute.
    »Und du?«, fragte sie sanft, sobald Marlee sich wieder dem Gespräch mit ihren Freundinnen zugewandt hatte. »Es muss doch beängstigend gewesen sein, als Tyler zusammenbrach und kaum noch Luft bekam.«
    Walker war sofort in einen extrem ruhigen Zustand gefallen und hatte sämtliche Gefühle ausgesperrt. Er hatte dafür gesorgt, dass die Luftröhre des Jungen sich nicht vollkommen schloss, hatte die ältesten Jungen angewiesen, auf die anderen aufzupassen, und war zu Lara gerannt. Während der ganzen Zeit hatte unter der äußeren Ruhe ein beschützender Zorn gelauert. Er würde niemals mehr ein Kind verlieren, das unter seinem Schutz stand.
    Denn er hatte viel zu viele Gardistenkinder verloren, die körperlich und geistig unter dem gnadenlosen Regiment der Ausbildung zerbrochen waren, trotz allem, was Walker unternommen hatte, um ihr Leiden zu lindern. Er konnte sich an jedes Gesicht und jeden Namen erinnern. Sie verfolgten ihn, und er würde die Schar der Geister nicht um einen einzigen mehr erweitern.
    Doch als er jetzt den Mund öffnete, sagte er nur: »Mir geht es gut.« Eine automatische Reaktion, in den Jahrzehnten ausgebildet, die er im Käfig von Silentium verbracht hatte. »Ich würde Tyler gerne sehen.« Er griff nach Laras Hand, denn er brauchte jetzt ihre Berührung.
    Doch sie verschränkte die Arme.
    Er erstarrte und hörte kaum, was sie sagte, so sehr rauschte das Blut in seinen Ohren. »Tyler freut sich sicher über Besuch.«
    »Was ist denn los?« Erst einmal hatte Lara sich ihm entzogen, und das war während ihrer turbulenten Werbung gewesen und hatte ihn damals in tiefe Verzweiflung gestürzt. Heute schoss Wut in ihm hoch. Denn so etwas tat sie nur, wenn sie verletzt war. Doch sie erzählte ihm nicht, was es war. »Lara.«
    »Du tust es schon wieder«, flüsterte sie schließlich. Zorn und Schmerz in ihrer Stimme schnitten ihm ins Herz. »Ich weiß genau, dass du wütend bist, und doch spüre ich es nicht.« Sie schlug mit der Faust auf ihre Brust. »Da sehe ich immer nur das ruhige Bild, mit dem du verhinderst, dass ich merke, was in dir los ist.« Eine Träne rollte über ihre Wange. »Warum tust du das?«
    Schon ihre ersten Worte hatten ihn so vollkommen gelähmt, dass ihm der verirrte Fußball willkommen war, der sein Bein traf. Er zuckte zusammen, schoss den Ball zurück und ergriff Laras Arm, bevor sie weggehen konnte. »Du wusstest doch, wer ich war, als ich anfing, um dich zu werben.« Wenn sie ihn nicht so annahm, wie er war, würden die Brüche in ihm niemals heilen.
    »Und du wusstest, wer ich bin.« Bernsteinfarbene Wolfsaugen im braunen Gesicht. »Ich bin nicht so zart. Ich breche nicht zusammen, wenn du mir deinen Schmerz, deine Wut und deine Sorgen zeigst.«
    Es war wie ein Schlag gegen die Brust. »Ich habe dir Sachen erzählt, die niemand sonst weiß.« Er wollte schreien, klang aber ganz ruhig.
    »Stimmt.« Tränen glänzten in ihren Augen, sie konnte nur noch flüstern. »Und es bedeutet mir unsagbar viel, dass du deine Geheimnisse mit mir geteilt hast. Mehr als alles auf der Welt.«
    Die Worte ließen seine Panik schwinden, doch nur zum Teil. »Aber warum dann?« Warum wandte sie sich ab und riss ihm das Herz aus der Brust?
    »Es reicht nicht, nur die Vergangenheit zu kennen, wenn du mich in der Gegenwart ausschließt. In unserer Gegenwart«, sagte sie sanft. »Ich muss an deiner Seite sein, muss dich beschützen, wie du mich beschützt. Ich kann es nicht ertragen, ausgeschlossen zu werden, wenn ich genau spüre, dass dich etwas schmerzt.«
    Das Herz schlug ihm bis zum Hals, ihm wurde erst heiß und dann wieder kalt.
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