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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes
Autoren: Gina Mayer
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ich.«
    Sein Lächeln wurde noch trauriger. »Bestimmt.«
    Ich rückte näher zu ihm hinüber. »Petrus«, flüsterte ich. »Bitte vergib mir. Wenn ich bei dir geblieben wäre, dann hätten Slagman und die anderen beiden dir das nicht angetan. Ich hätte niemals mit Frau van Ejick ins Haus gehen dürfen …«
    »Henrietta.« Petrus rückte von mir ab, bis er mit dem Rücken an der Wand saß. »Als Slagman und die anderen Kerle mich getreten haben, hab ich immer nur gedacht: Gott sei Dank ist Henrietta nicht hier. Ich war so froh, dass du in Sicherheit warst. So froh.«
    »Aber begreifst du denn nicht? Wenn ich dich nicht allein gelassen hätte, wäre doch gar nichts geschehen.«
    »Henrietta«, sagte Petrus sehr ernst, »wenn Slagman mich schlagen will, dann schlägt er mich eben. Ganz egal, ob es einen Grund dafür gibt oder nicht. Ganz egal, ob du dabei bist oder nicht. Das musst du endlich begreifen. Und wenn du es nicht einsehen willst, dann musst du nach Deutschland zurück.«
    Ich streckte meine Hand nach ihm aus und zog sie wieder zurück, als ich sah, wie er der Berührung auswich, als habe er Angst vor mir.
    Was soll nur aus uns werden, dachte ich unglücklich.
    Aber ich sprach die Frage nicht aus. Ich hätte ohnehin keine Antwort bekommen.
     
    Die Fahrt von Springbok nach Clanwilliam dauerte sechs Tage. Ich saß zusammen mit einer siebenköpfigen Burenfamilie in der Kutsche, während Petrus mit den anderen Schwarzen, den Postsäcken und dem Gepäck oben auf dem Dach untergebracht war.
    Die Landstraße nach Clanwilliam war in einem fürchterlichen Zustand, aber das hinderte den Postkutscher nicht daran, seine Pferde wie von Sinnen zu peitschen, sobald sie vom Trab in den Schritt verfielen. Die Kutsche holperte und sprang über Steine und tiefe Rillen, sodass ich ständig gegen eine meiner beiden Banknachbarinnen geschleudert wurde. Ein paarmal drohte der vollgepackte Wagen zu kippen, aber im letzten Moment schaffte es der Kutscher doch noch, ihn in der Balance zu halten.
    Die Rüttelei musste sehr schmerzhaft für Petrus sein, seine Wunden waren ja längst noch nicht verheilt. Und dort oben brannte die Sonne noch heißer, während wir im Inneren der Kutsche zumindest im Schatten saßen.
    Ich tastete nach Evas Schutzengel an dem Band um meinen Hals. Nun würde ich sie sehr bald wiedersehen. Oder zumindest ihre Eltern, Eva war ja auf der Schule in Stellenbosch und das lag noch weiter südlich als Wupperthal. Ich versuchte, mir Pastor Cordes’ Gesicht vorzustellen, aber vor meinem inneren Auge erschien nur der braune Kinnbart von Pastor Krupka aus Elberfeld. Aber an Cordes’ Stimme konnte ich mich noch erinnern. »Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir«, hörte ich ihn sagen. »Dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.« Meine Reise war fast zu Ende und Evas Schutzengel hatte mich wirklich behütet. Mehr oder weniger jedenfalls. Aber wie würde es jetzt weitergehen mit meinem Leben?
    Petrus gab unserer Liebe keine Chance, das hatte ich verstanden. Aber nach dem Übergriff der Buren war ich mehr denn je entschlossen, um ihn zu kämpfen. Auch wenn uns unsere Hautfarbe unterschied, so dachten, fühlten, empfanden wir doch das Gleiche. Wir lachten und empörten uns über dieselben Dinge. Wir verfolgten dieselben Ziele, wir waren füreinander geschaffen.
    Petrus war mir viel ähnlicher als Bertram. Er war der Mann meines Lebens. Und deshalb würde ich zu ihm stehen, gegen alle Widerstände, gegen alle Feindseligkeiten. Aber wovon wollten wir leben? Seine Leute würden uns nicht aufnehmen. Und ich selbst hatte keine Familie oder Angehörige, die mich unterstützten.
    Pastor Cordes wird mir helfen, dachte ich. Er wird mich verstehen.
    Die Postkutsche neigte sich gefährlich nach rechts. Ich wurde gegen meine Sitznachbarin gedrückt, die mich so empört ansah, als hätte ich mich mit Absicht auf sie geworfen. Wenn nur die Fahrt endlich vorbei wäre. Ich konnte es kaum erwarten, anzukommen.

 
21
     
    Vor dem Wohnhaus der Missionsstation Wupperthal stand eine stämmige Schwarze und zielte mit einem Gewehr auf uns.
    » Hands up! « , schrie sie. » Stay where you are! «
    Ich verstand genauso wenig Englisch wie Kapholländisch, aber meine Hände schossen ebenso schnell in die Höhe wie die von Petrus. » No shooting « , sagte er neben mir. » We peaceful. «
    » Peaceful « , wiederholte die Frau und lachte verächtlich. » Go away! «
    »Mein Name ist Henrietta Hauck. Aus Bethanien«, erklärte ich
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