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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes
Autoren: Gina Mayer
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erschrocken. »Ich möchte zu Pastor Cordes.«
    »Pastor Cordes?« Der Gewehrlauf senkte sich um ein paar Zentimeter. Die Frau trug ein weißes Häubchen auf dem Haar und ein schwarzes Kleid mit weißem Kragen. Sie sah aus wie eine Krankenschwester. Einmal abgesehen von dem Gewehr natürlich. »Was willst du von ihm?«
    »Wir haben uns auf der Gertrud Woermann kennengelernt.« Meine Hände bewegten sich ebenfalls nach unten.
    » Hands up! « , befahl die Schwester und sowohl die Mündung als auch meine Hände richteten sich wieder nach oben. »Frau Pastor?«, schrie sie dann laut, ohne jedoch den Blick von uns abzuwenden. »Hier sin’ Leute fur Sie.« Mit dem Lauf des Gewehres gab sie mir ein Zeichen, näher zu treten. Petrus und ich setzten uns beide in Bewegung. »Du nicht!«, herrschte sie Petrus an.
    Hinter ihr trat jetzt eine zweite Person aus dem Missionshaus. Es dauerte einen Moment lang, bis ich Frau Cordes erkannte. Sie hatte sich so verändert. Ihr strähniges, rotblondes Haar war auf dem Oberkopf zu einem unordentlichen Knoten zusammengesteckt, sie trug eine verwaschene Schürze über einem formlosen Kleid. Ihre nackten Füße steckten in viel zu großen Männerschuhen, in denen sie jetzt wie in Pantoffeln auf uns zuschlurfte. Sie schien mich nicht wiederzuerkennen, auf jeden Fall war ihr Blick leer und verständnislos.
    »Ich bin Henrietta Hauck. Evas Freundin von der Gertrud Woermann. «
    »Henrietta.« Sie streckte die Hand aus und berührte mein schmutziges Haar, als wollte sie sicherstellen, dass ich keine Geistererscheinung war. »Was machen Sie hier?«
    »Ich … das ist eine lange Geschichte.« Ich warf einen nervösen Blick auf die schwarze Krankenschwester, die immer noch mit ihrem Gewehr auf Petrus zielte. »Können Sie dieser … Person nicht sagen, dass wir keine Banditen sind?«
    »Natürlich. Schwester Elsbeth, es ist in Ordnung. Ich kenne Henrietta.«
    »Und der Neger?«
    »Das ist Petrus aus Bethanien. Er hat mich hierherbegleitet.«
    Die Schwester senkte widerwillig ihre Waffe. Ihr rechter Fuß steckte in einem Gipsverband, das fiel mir erst jetzt auf.
    »Kommen Sie doch herein.« Frau Cordes nickte Schwester Elsbeth zu und schlurfte dann zurück zum Haus. Kommen Sie doch herein. Die Aufforderung war nur an mich gerichtet. Petrus blieb außen vor.
    Frau Cordes führte mich aber gar nicht ins Haus, sondern zu einem Schuppen auf der Rückseite des Hauptgebäudes. Auf dem Weg dorthin erkannte ich, dass sich die Missionsstation in einem noch schlimmeren Zustand befand als der Hof der Welters in Warmbad. Die beiden Gebäude hinter dem Schuppen wirkten wie Ruinen und das Haupthaus selbst hätte dringend einen neuen Anstrich gebrauchen können, die Mauern starrten vor Schmutz. Ein unangenehmer Geruch lag über dem Hof, als hätte jemand das Essen anbrennen lassen.
    Die Wellblechhütte, in die Frau Cordes mich nun eintreten ließ, war jedoch überraschend ordentlich und sauber. Der Lehmboden war gefegt, das Holz der spärlichen Möbel blank geschrubbt und auf dem Tisch in der Mitte des Raumes stand eine Vase mit afrikanische Gänseblümchen. An der Wand stand ein Bett.
    »Nehmen Sie Platz, bitte schön.«
    Ich setzte mich und wartete darauf, dass Frau Cordes sich ebenfalls am Tisch niederließ, aber sie blieb mitten im Raum stehen, als habe sie vergessen, was sie hier wollte.
    »Könnte ich vielleicht ein Glas Wasser bekommen?«, fragte ich schließlich.
    Die Postkutsche war am späten Morgen in Clanwilliam angekommen, von dort waren wir zu Fuß nach Wupperthal gewandert. Der Weg hatte sich kreuz und quer über die Zedernberge gewunden, für die relativ kurze Strecke hatten wir fast sieben Stunden benötigt. Nun waren wir nicht nur durstig, sondern auch völlig ausgehungert, aber Frau Cordes machte keinerlei Anstalten, mir etwas zu essen anzubieten. Immerhin reichte sie mir einen Becher mit Wasser. Danach ließ sie sich auf einen Stuhl sinken und starrte über meine Schulter hinweg ins Leere. Wieder breitete sich ein unbehagliches Schweigen aus.
    Warum erkundigte sie sich nicht danach, aus welchem Grund ich so plötzlich hier auftauchte? Wo war ihr Mann, wo steckten die vier Jungen, die auf der Gertrud Woermann einen solchen Radau gemacht hatten, dass man sie überall hatte hören können?
    »Wie geht es Eva?«, erkundigte ich mich schließlich, weil mir alle anderen Fragen zu indiskret erschienen.
    »Eva?«, wiederholte Frau Cordes verwundert. »Sie ist in Stellenbosch.«
    »Ich weiß. Sie
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