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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes
Autoren: Gina Mayer
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hat mir nach Bethanien geschrieben. Aber seit wir unterwegs sind, habe ich nichts mehr von ihr gehört.«
    »Es geht ihr gut. Gott sei Dank.«
    »Und Ihnen?«, tastete ich mich vorsichtig weiter voran. »Wie geht es Ihnen?«
    Sie lachte leise. Dieses Lachen in Verbindung mit ihrem verwahrlosten Äußeren, dem verlassenen Haus und der Schwarzen mit dem Gewehr vor der Tür jagte mir einen Schauer über den Rücken. Irgendetwas Schlimmes war geschehen, etwas so Furchtbares, dass Frau Cordes keine Worte fand, es zu erzählen.
    »Entschuldigung.« Sie schlug sich die Hand vor den Mund und stand hastig auf. »Sie müssen glauben, dass ich den Verstand verloren …«
    Ich schüttelte den Kopf, obwohl der Gedanke nicht ganz abwegig war.
    »Mein Mann ist sehr krank. Er liegt nebenan, im Moment schläft er. Schwester Elsbeth meint, dass er das Schlimmste überstanden hat, aber ich glaube, sie will mich nur trösten. Die Verwundungen sind einfach zu schwer …« Wieder hielt sie sich selbst den Mund zu.
    »Bitte, Frau Pastor! Ich verstehe kein Wort. Was ist denn geschehen?« Ich erschrak über mich selbst, weil meine Stimme so gereizt klang. Seltsamerweise schien meine Ungeduld Frau Cordes jedoch zur Vernunft zu bringen.
    »Sicher«, sagte sie, »ich muss alles von Anfang an erzählen. Aber das ist schwer, weil ich gar nicht genau weiß, wo ich beginnen soll.« Gedankenverloren griff sie nach meinem Becher und trank einen Schluck Wasser. »Im Grunde hat es mit unserer Ankunft hier angefangen. Die Missionsstation war in keinem guten Zustand, müssen Sie wissen. Alles war verschmutzt und verkommen …« Ihr Blick glitt durch den Raum, als wunderte sie sich über die Sauberkeit und Ordnung. »Wir haben in die Hände gespuckt und aufgeräumt. Nicht nur im Haus, auch mit den Zuständen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Nicht genau.«
    »Die Station war fast zwei Jahre lang ohne Missionar gewesen. Einer der Schwarzen aus der Gegend hatte das Kommando hier übernommen. Titus Beukes nennt er sich. Er ist der Kapitän 13 eines Kaffernstammes, ein getaufter Xhosa. Bei dem Vorgänger meines Mannes hat Titus wohl auch einmal als Ältester gedient, aber mit dem wahren Christentum hat der Mann nichts, aber auch gar nichts zu tun. Es herrschte ein Treiben hier in Wupperthal, das können Sie sich gar nicht vorstellen.
    Hier im Missionshaus hatte Titus einen Schwarzmarkt für Branntwein und Tabak eingerichtet. Seine Ware bezog er von weißen Händlern und verkaufte sie mit gutem Gewinn weiter an seine Landsleute. Die Kaffern kamen von weiß Gott woher, um den Schnaps hier zu erwerben. Der Handel mit dem Gift hatte Titus zu einem wohlhabenden Mann gemacht. Aber das Schlimmste war, dass er nicht damit aufhören wollte, den christlichen Glauben zu verkündigen.
    Sonntags zog er sich einen Talar an, stieg auf die Kanzel in der Kirche und predigte seinen Stammesgenossen das Evangelium oder das, was er dafür hielt. Und die Kaffern, die es nicht besser wussten, hörten ihm zu, sangen und beteten mit ihm und nach dem Götzendienst kauften sie im Missionshaus Schnaps in rauen Mengen.
    In ihrer Unwissenheit hielten sie es ja geradezu für eine Christenpflicht, sich zu betrinken.
    Sie können sich vorstellen, wie mein Mann auf diese Zustände reagiert hat«, sagte Frau Cordes.
    Ja, das konnte ich. Pastor Cordes, der den Alkohol in seinen Predigten auf der Gertrud Woermann immer aufs Schärfste verdammt hatte, hatte diesen Titus bestimmt sofort in seine Grenzen verwiesen.
    »Er hat die Frevler aus der Missionsstation vertrieben wie Jesus die Händler aus dem Tempel«, bestätigte die Pastorin. »Kein Tropfen Schnaps sollte mehr in Wupperthal fließen. Aber das war schwieriger durchzuführen, als es sich anhören mag. Die Kaffern waren süchtig nach dem Gift und weigerten sich, für uns zu arbeiten, wenn wir sie nicht mit Alkohol entlohnten. Am Anfang mussten wir fast alle Arbeit allein übernehmen. Die Jungen waren uns eine große Hilfe …« Sie stockte und starrte auf den dunklen Ring, den der Becher auf dem Tisch hinterlassen hatte.
    Die Jungen, dachte ich. Wo waren die Jungen?
    »Aber dann schickte uns die Rheinische Mission Hilfe. Schwester Elsbeth kam und ein paar andere Helfer, die uns im Haus und in der Landwirtschaft unter die Arme griffen. Nach und nach merkten die Kaffern, dass die Missionsstation wuchs und gedieh. Und plötzlich kamen sie wieder zurück. Zuerst die Frauen, die ihre nach Alkohol lechzenden Männer nicht mehr
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