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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes
Autoren: Gina Mayer
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ich Petrus getroffen. Wir hatten draußen im Hof gesessen, auf einer Bank, die den Brand fast unbeschadet überstanden hatte. Das Blau des Himmels hatte sich inzwischen in Schwarz gewandelt. Während wir redeten, gingen über uns die ersten Sterne auf wie neugierige Kinderaugen.
    Ich erzählte Petrus, was in Wupperthal vorgefallen war. »Im Moment sehen die Cordes nur deine Hautfarbe«, sagte ich dann. »Aber das wird sich ändern. Schon bald werden sie dich als Menschen schätzen, so wie sie auch Schwester Elsbeth schätzen. Der Pastor und seine Frau sind anders als die anderen Weißen, das musst du mir glauben.«
    Petrus schwieg. Er glaubte mir gar nichts, warum sollte er auch.
    »Es geht immer so weiter«, sagte er nach einer Weile. »Weiße und Schwarze, Kaffern und Buren und Deutji, einer schlägt und tritt und bekämpft den anderen. Meistens ziehen die Schwarzen den Kürzeren, aber manchmal auch die Weißen. Häuser brennen, Kinder sterben, Mütter und Väter heulen und danach rächen sie sich. Und dann geht alles wieder von vorne los.«
    »Hier wird es nicht so sein. Die Cordes werden nicht zurückschlagen.«
    Stattdessen würden sie ihre Sache packen und das Land verlassen. Um Platz zu schaffen für einen weiteren Slagman, einen Siedler oder Schnapshändler oder Soldaten, der die Neger als Untermenschen verachtete. Die Guten und Ehrbaren scheiterten und zogen sich zurück. Die Zyniker und Resignierten setzten sich durch.
    »Ich gehe zurück nach Bethanien«, sagte Petrus. »Vielleicht lässt Herr Freudenreich mich wieder für sich arbeiten.«
    »Und ich? Was soll aus mir werden, wenn du weggehst?«
    »Du bist in Sicherheit.«
    In Sicherheit. Ausgerechnet hier. Während der ganzen Reise hatte ich mich nie so unsicher gefühlt wie jetzt. Ich hatte immer ein Ziel gehabt, auf das ich zugegangen war. Aber nun lag nichts mehr vor mir.
    »Du darfst mich nicht im Stich lassen«, beschwor ich ihn. »Wenn du jetzt gehst, dann werde ich …«
    »Was?«, unterbrach er mich, fast drohend.
    Ich starrte ihn finster an. Er begegnete meinem Blick, ohne mit der Wimper zu zucken. Am Ende senkte ich die Augen.
    »Henrietta«, sagte Petrus. »Ich habe alles aufgegeben für dich. Meine Arbeit in der Missionsstation und meine Leute. Ich bin mit dir bis ins Kapland gegangen. Jetzt sind wir hier und ich kann dir nicht mehr helfen. Herr und Frau Cordes sind sehr traurig, aber morgen geht es ihnen schon wieder ein bisschen besser und übermorgen ist es noch besser und immer so weiter. Und irgendwann ist vielleicht alles wieder gut. Du musst hierbleiben und ihnen helfen, dann helfen sie  auch dir.«
    »Ich bleibe hier«, sagte ich. »Und du bleibst auch hier. Sie lassen dich ganz bestimmt auf der Station arbeiten, wenn ich mich für dich verbürge. Du bist ein guter Treiber.«
    »Ich bin ein guter Treiber«, wiederholte Petrus. »Und du bist wie eine Tochter für sie. Und unsere Liebe geht langsam kaputt. Jeden Tag bricht ein Stück ab, bis am Ende nichts mehr übrig ist. Es ist besser, wenn ich gleich gehe.«
    Das war das erste und das einzige Mal, dass Petrus von unserer Liebe sprach. Es machte mich so froh, das Wort aus seinem Mund zu hören. Und gleichzeitig so traurig. Weil ich wusste, dass er recht hatte. Wenn er bliebe, würde er zu den Dienstboten gehören und ich zur Herrschaft. Es wäre ein bisschen wie auf dem Kratzkopp mit Bertram und mir, und doch ganz anders. Denn Petrus war der Mann und ich war die Frau und die Frau musste immer ein Stück unter dem Mann stehen, wenn die Ehe glücken sollte, das hatte mir meine Mutter erklärt.
    Ein weißer Herr und ein schwarzes Dienstmädchen, diese Verbindung wäre unter Umständen noch vorstellbar gewesen. Mit sehr viel Kraft und gutem Willen hätte der Mann das Mädchen auf seine Stufe heben können. Aber ein weißes Mädchen wäre niemals stark genug, einen Hottentotten zu sich emporzuziehen.
    »Bitte, Petrus«, flehte ich dennoch. »Lass es uns doch wenigstens versuchen.«
    »Nein, Henrietta«, sagte Petrus.
    Mehr sagte er nicht. Es war ja auch schon alles gesagt. Unsere Geschichte war zu Ende, bevor sie richtig begonnen hatte. Weil er schwarz war und ich weiß. Weil sie uns in Wupperthal in Afrika genauso wenig gewähren lassen würden wie in Wuppertal in Deutschland. Petrus stand auf und gab mir die Hand.
    »Auf Wiedersehen, Henrietta«, sagte er ernst. »Du gehst jetzt ins Haus und ich gehe in meine Hütte und morgen früh bin ich einfach weg. Du weinst nicht und ich auch
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