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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes
Autoren: Gina Mayer
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verstand?
    »Petrus ist vor zwei Tagen gestorben.« Beim letzten Wort brach meine Stimme und meine Augen schwammen plötzlich vor Tränen. Obwohl es doch gar nicht stimmte.
    Slagman tat so, als sei er zutiefst verwirrt. »Petrus – das war doch … Ihr Diener, oder? Er ist gestorben? Dis jammer. Das tut mir leid.«
    »Nun lassen Sie doch dieses Theater! Sie wissen doch ganz genau, dass Sie ihn auf dem Gewissen haben!«, zischte ich. »Sie und Ihre schamlosen Freunde haben ihn schließlich grundlos zusammengeschlagen.«
    »Na, hören Sie mal«, sagte Slagman. »Ich habe doch niemals … ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie sprechen. Es muss sich um eine Verwechslung handeln.«
    » Wat is die probleem, Thijs? « , fragte seine Frau.
    Slagman zog die Mundwinkel nach unten, hob die Schultern und drehte die Handflächen zum Himmel. Ein Bild der Unschuld.
    Früher hatte es mir nie gefallen, wenn Pastor Krupka von der Hölle und der ewigen Verdammnis gepredigt hatte. Die Vorstellung, dass Gott eines seiner Kinder einer solchen Qual aussetzen könnte, war mir abscheulich und widersinnig vorgekommen. In diesem Moment jedoch wünschte ich mir inbrünstig, dass es das Höllenfeuer wirklich gab. Und dass der Teufel Slagman vergelten würde, was er Petrus angetan hatte.
    »Ihr Mann ist ein Mörder«, sagte ich zu der Frau, die mich aus großen hellblauen Augen erstaunt ansah.
    Ihr hellblauer Blick wanderte zu ihrem Mann. » Ek verstaan nie. «
    Slagman zuckte erneut die Schultern.
    »Gott wird Sie für Ihre Taten zur Rechenschaft ziehen, Herr Slagman«, erklärte ich, aber meine Worte prallten an ihm ab und fielen zu Boden. Er fühlte sich nicht schuldig, er schämte sich nicht einmal. Er hatte einem lästigen Köter ein paar Fußtritte versetzt, eine Kröte zertreten, eine Fliege an der Wand zerdrückt. Er empfand nichts außer Erstaunen darüber, dass mich eine solche Lappalie dermaßen erregte.
    Ich drehte mich um und ging ohne ein weiteres Wort weg.
    » Wat het sy gesê? « , hörte ich das kleine Mädchen fragen.
    Bis zur nächsten Wegbiegung kochte die Wut in mir. Aber nachdem ich um die Ecke gebogen war, wandelte sich mein Zorn in Panik. Ich hatte gelogen, als ich Slagman erzählt hatte, dass Petrus gestorben war. Es war eine Sünde, zu lügen, und dass nichts Gutes dabei herauskam, hatte mir der Tod meiner Mutter ja bereits zur Genüge bewiesen.
    Ich begann zu laufen. Vielleicht strafte Gott in seiner Rätselhaftigkeit gar nicht Slagman, sondern mich. Indem er Petrus nun wirklich tötete.
    Atemlos kam ich in der Pension an, stürzte in den Hof und riss die Tür zu Petrus’ Verschlag auf. Da lag er auf seinem Strohsack und schlief.
     
    Ich ließ mich neben ihm in die Streu fallen. Er erwachte und richtete sich erschrocken auf, als er die Tränen in meinen Augen sah.
    »Was ist passiert?«
    »Ich habe Slagman getroffen«, schluchzte ich. »Er hat eine Frau und eine kleine Tochter. Sie sind in der Stadt spazieren gegangen, einfach so, als ob nichts gewesen wäre.«
    Petrus ließ sich wieder zurück auf den Strohsack sinken und lächelte schwach. »Es ist ja auch nichts geschehen.«
    »Wie kannst du so etwas sagen? Findest du etwa nichts dabei, wenn man dich schlimmer als ein Tier behandelt?«
    »Das ist ganz normal, Henrietta«, erklärte Petrus ernst. »Ich bin kein Mensch. Ich bin ein Hottentotte, ein Wilder, ein Kaffer, ein Neger, ein Barbar. Wenn du glaubst, dass ich ein Mensch bin wie du und Slagman, dann kannst du nicht in Afrika bleiben. Dann musst du wieder nach Deutschland zurückkehren. Hier versteht niemand, was du meinst. Nicht einmal Frau Welter hat dich verstanden, weißt du noch?«
    »Doch«, widersprach ich, »sie hat mich sehr gut verstanden. Sie hat nur so getan, als ob sie es nicht verstehen könnte. Weil sie Angst vor den Folgen hatte. Immerhin ist sie von ihrem Mann abhängig.«
    »Jeder ist abhängig von einem anderen.« Petrus nickte mit Nachdruck. »Deshalb sind sich auch alle einig. Die einen sagen, die Kaffern sind wie Tiere, man kann sie schlagen und treten. Und die anderen sagen, die Schwarzen sind arme Schweine, man muss sie bekehren, damit sie in den Himmel kommen, wenn sie sterben. Aber keiner sagt, dass wir ganz normale Menschen sind wie die Weißen auch.«
    »Warte nur ab«, versprach ich ihm. »Bis du Pastor Cordes triffst und seine Frau und Eva. Die Cordes sind anders als die anderen Deutschen. Sie haben ihren eigenen Kopf. Sie werden mich verstehen, weil sie genauso denken wie
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