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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes
Autoren: Gina Mayer
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Ahnung, wie die Cordes auf unsere Ankunft reagieren würden.
    Die drei Buren und ihre Diener beluden vor dem Schuppen ihre Lasttiere. Slagman zurrte gerade einen Gurt um das Leopardenfell, das inzwischen einigermaßen getrocknet war. Willem half ihm, es auf den Esel zu heben. Petrus war nirgendwo zu sehen. Das war seltsam, dass ihn die Männer nicht zum Arbeiten heranzogen. Meine Schritte beschleunigten sich. Ich rannte zum Schuppen. Mein Körper hatte bereits verstanden, was meinem Verstand noch unklar war. Ich schwitzte vor Angst, als ich die Tür zum Schuppen aufriss.
    »Petrus?«
    Keine Antwort.
    »Petrus! Bist du hier?« Meine Stimme hallte durch den kahlen Raum. Durch das Fenster unter dem Dach fiel gelbes Sonnenlicht, in dem Staubflocken tanzten. Auf dem Hof hörte ich die Männer lachen. Wo steckte Petrus? Ob er auf eigene Faust weitergezogen war, weil er die Gängelei durch Slagman und seine Freunde nicht länger ertrug? Hatte er sich einfach davongemacht, ohne sich von mir zu verabschieden?
    Ich wollte die Tür gerade wieder zuziehen, als ich das Stöhnen vernahm.
     
    Sie hatten die Decken über ihn gebreitet, nachdem sie mit ihm fertig gewesen waren. Petrus’ Augen waren zugeschwollen, über der linken Augenbraue und am rechten Jochbein hatte er eine Platzwunde, sein Nasenbein war zerschmettert, vier Schneidezähne waren locker, zwei ausgeschlagen, das linke Ohr war tief eingerissen, das rechte war ebenfalls dick geschwollen. Sein Körper war übersät von Brandwunden, Schnitten und Prellungen.
    »Was haben sie mit dir gemacht?«, flüsterte ich, dabei war das nicht die Frage. Was sie mit ihm gemacht hatten, sah ich ja vor mir. Aber warum? Warum waren sie auf Petrus losgegangen, drei bewaffnete Kerle auf einen wehrlosen jungen Mann?
    Die Antwort war ganz einfach. Weil er sie geärgert hatte, durch eine Bewegung, durch eine Geste, durch seine bloße Anwesenheit. Weil sie betrunken waren und weiß und Petrus war schwarz.
     
    Ich legte meinen Kopf auf seine Brust. Irgendwo in der Tiefe hörte ich ein schwaches Pochen und ein leises Flattern wie von Vogelflügeln.
    Ich rannte zurück ins Haus und holte die Farmersfrau, deren Namen ich nicht kannte, das wurde mir seltsamerweise erst jetzt bewusst. Während sie Petrus’ Wunden auswusch und verband, schüttelte sie ununterbrochen mit dem Kopf.
    »Nee, nee, nee«, machte sie.
    Petrus’ Hand lag schlaff und kraftlos in meiner.
    »Nee, nee, nee«, sagte die Farmersfrau.
    »Wird er überleben?«, fragte ich angsterfüllt.
    Sie wickelte eine Mullbinde um seinen Kopf und befestigte sie mit einer Klammer. Vielleicht hatte sie meine Frage nicht gehört. Ich wiederholte sie nicht mehr.
    Plötzlich unterbrach sie sich, sprang auf und rannte auf den Hof. Ich hörte sie dort laut keifen, offensichtlich sagte sie Slagman und seinen Freunden die Meinung. Die Männer antworteten nicht. Aber wahrscheinlich zog Slagman wieder eine höhnische Grimasse, sobald sich die Frau abgewandt hatte.
    Ich streichelte Petrus’ Hand und erschrak, weil sie sich so kalt anfühlte.
    »Wir müssen die Männer anzeigen«, sagte ich, als die Frau wieder zurück in den Schuppen kam. »Polizei.«
    » Polisie? « , wiederholte sie verständnislos.
    Ich nickte.
    Sie zuckte nur mit den Schultern.
     
    Mit der Hilfe eines Knechtes trugen wir Petrus ins Haus. Wir legten ihn in das Bett, in dem ich die Nacht verbracht hatte.
    » Ses dae « , sagte die Frau dann und hob zur Verstärkung sechs Finger hoch.
    Was wollte sie mir damit sagen? Sechs Tage, bis sie uns weiterschicken würde? Sechs Tage, bis es Petrus wieder besser ging? Sechs Tage bis zu seinem Tod?
    Ich verstand sie nicht. Ich verstand mich selbst nicht.
    Wie hatte ich Petrus gestern nur mit den Männern allein lassen können? Während ich sorglos geschlafen hatte, hatten sie ihn halb totgeprügelt. Jetzt fühlte ich mich, als hätte ich ihnen dabei geholfen.
     
    Wir blieben eine ganze Woche bei den van Eijks. Während dieser Zeit schlief Petrus in der Dienstbotenkammer und ich auf einer Kattel im Kinderzimmer, wo auch das Dienstmädchen für die Dauer unseres Aufenthalts untergebracht war. Die ersten beiden Nächte verbrachte ich allerdings an Petrus’ Bett. Ich hatte furchtbare Angst, dass er plötzlich sterben könnte.
    Er erholte sich jedoch erstaunlich schnell. Am ersten Tag setzte ein Wundfieber ein, das sich allerdings bald wieder senkte. Die Prellungen schwollen ab, seine Wunden verheilten, jedenfalls oberflächlich.
    »Mir geht es
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