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Rückkehr nach Wedenbruck

Rückkehr nach Wedenbruck

Titel: Rückkehr nach Wedenbruck
Autoren: Tina Caspari
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Die Heimkehr

    Sie saß auf dem blanken Pferderücken, ritt ohne Trense, ohne Führleine und lenkte das Pferd nur mit leichtem Schenkeldruck. In den Handflächen spürte sie, wie sich unter der langen seidigen Mähne die Muskeln des Fuchshengstes anspannten, wie er stolz den Hals bog, während er im Galopp vorwärts drängte. Das hohe, blauschimmernde Gras, durch das sie preschten, strich weich an ihren nackten Beinen entlang. Unter dem Ansturm des Pferdes wich es zu den Seiten aus wie eine Welle, die sich hinter ihnen sanft wieder schloss. Ein kühler Windhauch strich ihr über das Gesicht...
    „Aufwachen, junge Frau, Sie müssen jetzt aussteigen!“
    Bille fuhr aus dem Schlaf hoch und blickte sich verwirrt um. Die Maschine war bereits gelandet, und die letzten Passagiere schoben sich durch den Ausgang.
    Grinsend beugte sich der Steward über sie: „Tut mir echt Leid, aber wenn Sie nicht mit uns zurück nach Frankfurt fliegen wollen ...“
    Bille murmelte eine Entschuldigung, löste den Sicherheitsgurt und holte - noch immer nicht ganz in der Wirklichkeit angekommen - ihr Handgepäck aus dem Fach. Der Steward half ihr in den Mantel, während die beiden Stewardessen, die am Ausgang der Maschine die Fluggäste verabschiedet hatten, schmunzelnd zu ihnen hinübersahen. Es kam wohl nicht so oft vor, dass ein Fluggast das Aussteigen verschlief.
    „Müssen Sie süß geträumt haben! Da könnte man ja neidisch werden.“ Aufmerksam musterte der junge Mann die hübsche junge Frau, die sich den Schlaf aus den Augen rieb und offensichtlich Mühe hatte, richtig wach zu werden. „War vermutlich ’ne lange Reise, hab ich Recht?“, erkundigte er sich mitfühlend.
    „D as kann man wohl sagen!“ Bille reckte die Schultern und unterdrückte ein Gähnen. „Von New Mexico nach New York - und dann die lange Warterei auf den Anschlussflug in Frankfurt ... kein Wunder!“ Schließlich haben wir die Nacht vor der Abreise fast durchgefeiert, setzte sie in Gedanken hinzu. „Aber in anderthalb Stunden ist es geschafft, dann bin ich zu Hause.“
    „Also dann - alles Gute! Wiedersehen!“
    „ Tschüss !“ Bille beeilte sich, das Trüppchen der übrigen Fluggäste zu erreichen, das durch einen langen Gang der Gepäckausgabe zuströmte. Die Leute hasteten, als gälte es den letzten Bus zu erwischen, dabei dauerte es für gewöhnlich eine halbe Ewigkeit, bis der erste Koffer auf dem Förderband heranrollte.
    Während sie auf ihr Gepäck wartete, überlegte Bille, wer sie wohl abholen würde. Simon auf keinen Fall, der war in Berlin. Er hatte sie erst kürzlich besucht und außerdem fast die gesamten Semesterferien mit ihr in dem Tellington-Jones Reitzentrum in New Mexico verbracht. Dass er zu ihrer Rückkehr nicht extra herüberkommen sollte, hatten sie schon vor zwei Wochen verabredet. Vielleicht war Onkel Paul gekommen? Wenn nicht, konnte sie mit dem Shuttlebus bis zum Bahnhof fahren und den nächsten Zug nach Kiel nehmen. Von da aus war es nicht mehr weit bis nach Wedenbruck. Auf jeden Fall musste sie erst mal zu Hause anrufen und hören, ob einer zum Flughafen unterwegs war.
    Bille blickte über die Köpfe der Fluggäste hinweg zum Ausgang hinüber. Mit ihrer Maschine schien wohl irgendein berühmter Popstar oder Sportler angekommen zu sein, jedenfalls wogte da draußen ein riesiges Plakat über den Köpfen der Wartenden. Sie konnte nur die Hälfte der obersten Zeile entziffern, „willkommen zu Hause“ hieß das vermutlich.
    Jetzt rollten die Koffer und Taschen auf dem Band heran. Zum Glück musste sie nicht lange warten, ihre leuchtend rote, riesige Reisetasche war schon von weitem zu erkennen. Bille zerrte sie vom Laufband und zog sie hinter sich her Richtung Ausgang. Der Zollbeamte warf ihr einen flüchtigen Blick zu, entschied dann aber, dass diese sportliche junge Dame nicht wie eine Schmugglerin aussah. Bille dankte ihm mit einem strahlenden Lächeln.
    Wieder versuchte sie zu erkennen, ob draußen jemand auf sie wartete, doch nun drängte sich ein junger Vater vor ihr Blickfeld, der seinen kleinen Sohn auf den Schultern trug. Zwei größere Kinder und eine mit Taschen bepackte junge Frau schoben sich zugleich mit ihr durch den Ausgang.
    Plötzlich erhob sich in der Wartehalle lautes Geschrei. Mindestens ein halbes Dutzend Stimmen waren das, die da jetzt in rhythmisches Rufen übergingen. „Bille! Bille! Bille! Bille! ...“ Bille kam sich vor wie im Fußballstadion. Unwillkürlich duckte sie sich vor den neugierigen
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