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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag
Autoren: Erno Szep
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1.   Nacht
    Ich bin sechsundvierzig geworden. Vor zwei Monaten. Mir ist etwas so Schönes widerfahren.
    Vielleicht sollte ich einen Roman darüber schreiben, eines dieser leisen, aufrichtigen Bücher, wie ich sie selbst gern lese.
    Ich weiß nicht, ob ich mich in diesem Leben noch einmal werde hinsetzen können, um ein Buch zu schreiben, das mir wirklich zusagt.
    Bin müde, schreibe nicht mehr mit derselben Verve wie früher.
    Allein für die Überlegung, was ich dem Leser mitzuteilen habe, und um mir schließlich eine Komposition zurechtzulegen, würde ich einen vollen Monat brauchen.
    Mein ganzer Vormittag geht schon mit dem Schreiben von Glossen und Zeitungsartikeln drauf. Und nach dem Mittagessen ist es dann bereits Nachmittag. Nachmittags aber habe ich nie gearbeitet. Die Nachmittage waren stets der Liebe vorbehalten, dem Müßiggang, auch der Lektüre und dem Kartenspiel.
    Seit ein paar Jahren gehören sie jetzt eher dem Schlaf und auch dem Herumlaufen. Gut, auch nachmittags arbeite ich gelegentlich, bringe meine Glosse zu Ende, schreibe noch einen weiteren Zeitungsartikel; für den Nachmittag bleiben normalerweise auch die Filmsujets, wenn ich mich denn erdreiste, solche zu verfassen. Seit fast sieben Jahren lasse ich mir ein Thema nach dem anderen einfallen in der Hoffnung, ein Produzent könnte sich am Ende entschließen, eines anzukaufen.
    Noch ist das Erlebnis in mir so wohltuend warm wie derStoff des Anzugs, den ich trage, wenn ich aus dem sommerlichen Sonnenschein zurück in mein Zimmer komme.
    Ich habe mich entschlossen; spätabends, wenn ich mit der Welt fertig bin, setze ich mich hin und gehe an die Arbeit, versuche ein, zwei Stunden lang etwas zu Papier zu bringen; was dabei herauskommt, werde ich dann ja sehen. Seit Ewigkeiten habe ich nicht mehr nachts gearbeitet, das ist passé, wie meine Jugend.
    Oft, wenn ich versuchte, abends, also nachts zu schreiben, bekam ich ein Nervenfieber, konnte dann bis zum Morgengrauen nicht einschlafen.
    Auch jetzt soll es kein Schreiben sein, nur so ein gelegentliches Notieren.
    Ich würde meinen Roman mit dem Tag beginnen lassen, als ich letzten September einmal ins Theater hinaufgegangen bin.
    Eile gerade die Treppe hoch. Bin voller Sorgen, voller Ekel. Will denen sagen, dass mein Stück noch nicht ganz fertig ist. Ich habe ja noch nicht einmal angefangen, es den ganzen Sommer lang vor mir hergeschoben. Auf jeden Fall lüge ich, ich sei mit dem ersten Akt fast durch, sie werden mir glauben, dass ich das Stück dann auch zu Ende bringen will. So kriege ich wieder ein bisschen Geld, hoffentlich.
    Auf dem Absatz, wo die Treppe eine Kurve macht, rennt mich ein Mädchen fast um. Wie ein Vögelchen hüpfend kommt sie die Stufen herunter.
    Ich bleibe einen Augenblick stehen, um die Karambolage zu vermeiden. Das Mädchen fasst ans Geländer. Wendet mir ihren Blick zu. Eine blonde Elevin.
    Bevor ich in den nächsten Treppenabsatz einbiege, blicke ich mehr zufällig zurück. Ja, ich spürte, dass mir das Mädchen nachgesehen hat. Sie keucht noch. Der Mund steht ihr offen. Sie lacht, weil sie jung ist.
    »Sie erkennen mich nicht.«
    Nein, mein Kind. Wer bist du denn, meine Schöne?
    »Ach   … als wir die Prüfung hatten, im Mai, wurde ich Ihnen vorgestellt. In einem anderen Theater. Da haben Sie sich mit mir unterhalten.«
    Nett von mir.
    Ihr Name ist Ibolya Soundso. Aus dem zweiten Jahrgang.
    Ich erinnere mich. Letztes Jahr an einem Vormittag, ich ging wieder mal, um Geld zu betteln, wusste nicht, dass gerade Generalprobe war; zwischen zwei Akten musste ich mich durch dieses Gewühl auf dem Korridor kämpfen, um in die Direktionsloge zu gelangen.
    Ein Regisseur oder ein Kritiker muss mir dieses Mädchen offeriert haben, so wie man jemandem eine Zigarette hinhält.
    Ja, und was erhofft sie sich von mir? Ich bin keine Protektion, mein Kind.
    »Ich will keine Protektion. Nur   …«
    Sie stockt. Schaut mich mutig und ängstlich zugleich an.
    Trotzdem, sagen Sie doch, was Sie von mir wünschen. Bittschön, ich habe nämlich zu tun.
    Aber das ginge doch nicht einfach nur so. Wann Sie mal mit mir sprechen könnte.
    Ich bin in Eile, gebe ihr meine Telefonnummer, rufen Sie mich irgendwann am Vormittag an.
    »Geht es auch morgen?«
    Auch das, ja.
    »Ich schreibe mir die Nummer gleich auf, achtfünfundzwanzig einunddreißig, achtfünfundzwanzig einunddreißig.«
    Pa.
    Es gab nur eine kleine Summe. Habe Sorgen über Sorgen.
    Sollte hier aber vielleicht mal meine Situation
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