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Ich würde dich so gerne kuessen

Ich würde dich so gerne kuessen

Titel: Ich würde dich so gerne kuessen
Autoren: Patrycja Spychalski
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klettern, aber vielleicht können wir einen Spaziergang durch den Park machen, uns auf eine Bank setzen und Menschen beobachten. In der Croissanterie Sandwiches essen. Dann kann man ja immer noch sehen, was daraus wird.
    Als meine Bahn schließlich kommt und ich einsteige, merke ich, wie ich plötzlich nervös werde. Es gibt nämlich doch noch den Funken Zweifel, die Angst, dass Jeffer mich vielleicht gar nicht sehen mag, und ich weiß nicht, wie ich dann damit umgehen soll.
    Als ich auch noch in der Bahn, zwei Sitze weiter, eines von diesen Mädels entdecke, die immer auf den Dachpartys waren, wird mir endgültig schlecht.
    Fährt sie etwa auch zu Jeffer? Haben die jetzt was miteinander laufen? Oh Gott, vielleicht werde ich mich furchtbar blamieren …
    Ich bin erleichtert, als ich in Karlshorst aussteige und das Mädchen weiterfährt.
    Auf einmal fühle ich mich wieder wie zu Hause. Der Bahnsteig mit dem Blumenstand und den vietnamesischen Zigarettenverkäufern. Der Zeitungskiosk, das Fruchthaus, wo die Äpfel in der Sonne glänzen und der Duft von Erdbeeren aus dem Laden strömt. Das Kulturhaus mit selbst gemalten Plakaten, die aus dem Fenster hängen. Die hässliche Treskowallee, auf der sich die Autos unaufhörlich aneinanderreihen. Hans Dampf, der in seinem Imbiss Würstchen über dem Grillrost wendet. Das alles war drei Wochen lang mein Zuhause und jetzt bin ich wieder hier und gehöre wieder dazu. Der Kellner von der Elvis Bar macht gerade vor der Tür Zigarettenpause und winkt mir zu, als ich vorbeilaufe. Ich finde es nett, dass er mich erkannt hat, und werde wieder mutiger, richte mich auf und laufe festen Schrittes zu Jeffers Haus. Vor der Haustür zögere ich nur kurz, atme einmal tief ein und wieder aus und betrete schließlich das Treppenhaus.
    Die Enttäuschung ist groß, als niemand die Tür öffnet.
    Was hatte ich denn auch erwartet? Dass Jeffer brav in seiner Wohnung sitzt und auf meinen Besuch wartet? Er war ständig unterwegs, warum sollte er jetzt zu Hause hocken?
    Ich setze mich auf die Treppenstufen und überlege, was ich jetzt machen soll.
    Vielleicht noch eine Viertelstunde warten.
    Kann sein, dass er einfach nur schnell was einkaufen ist.
    Auf jeden Fall kurz warten! Der Weg war zu lang, um jetzt einfach wegzugehen.
    Eine Zigarette wäre jetzt gut.
    Und wenn er nicht kommt?
    Komme ich morgen wieder? Rufe ich vorher an? Lasse ich ihm einen Zettel da?
    Nach zwanzig Minuten ist immer noch kein Jeffer da.
    In der Tasche habe ich seinen Wohnungsschlüssel. Eigentlich geht man nicht unerlaubt in jemandes Wohnung. Aber andererseits habe ich hier ja auch eine Weile gewohnt. Kann es sein, dass ich hier noch etwas vergessen habe? Ein Shirt, mein Shampoo oder irgendwie so was.
    Wenn ich jetzt da reingehe und Jeffer überrascht mich, kann ich mich dann damit rausreden, dass ich unbedingt mein Shampoo wiederhaben wollte? Weil es so ein spezielles Shampoo ist, welches ich nirgends kaufen kann und nur bei ihm in der Wohnung habe?
    Unglaubwürdig!
    Aber vielleicht tue ich dann ganz lässig, als wäre es total normal, dass ich in seiner Küche sitze, schließlich war das ja eine Zeit lang auch meine Küche. Oder ich bin einfach mal ehrlich und sage es so, wie es ist, dass ich ihn besuchen wollte, und da ich den Schlüssel noch hatte, wollte ich mich lieber bequem auf einen Stuhl setzen, anstatt im Treppenhaus rumzulungern.
    Das müsste gehen.
    Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass Jeffer gar nicht auftauchen wird.
    Ich werde ihm einen Zettel schreiben, einen kleinen Brief, auf den er dann gerne antworten kann, wenn er Lust hat. Vielleicht ist das sowieso die bessere Möglichkeit, sich einander wieder anzunähern.
    Ich hole also den Schlüssel aus meiner Tasche und schließe die Tür auf.
    In der Wohnung ist es still. Schon im Flur bemerke ich, dass etwas anders ist.
    Was bloß? Der Geruch? Das Licht?
    Es sind meine Schritte, die so seltsam durch den Flur hallen, als wäre …
    Oh mein Gott!
    Die Wohnung ist leer.
    Ich sehe in die Zimmer. Leer. Das Bad. Leer. Nur die Küche ist nicht leer geräumt, aber dafür ungewöhnlich sauber. Das Waschbecken ist ganz ausgetrocknet, als wäre hier schon länger kein Wasser gelaufen. Die Ascher stehen sauber gespült und gestapelt auf dem Fensterbrett.
    Ich setze mich an den Küchentisch und sehe aus dem Fenster.
    Darauf war ich nicht vorbereitet gewesen.
    Bei all meinen Gedankenspielen, wie die Begegnung mit Jeffer wohl ablaufen würde, ist mir nie in den Sinn gekommen,
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