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Ich würde dich so gerne kuessen

Ich würde dich so gerne kuessen

Titel: Ich würde dich so gerne kuessen
Autoren: Patrycja Spychalski
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und ich werde von allen Seiten angerempelt. Hunderte von Menschen auf der Straße. Es dämmert und die Stimmung wird langsam herausfordernd. Die Polizei steht in voller Montur am Straßenrand, mit finsterem Blick. Ein paar kleine Jungs zeigen den Mittelfinger. Ein paar Punks singen: »Macht kaputt, was euch kaputt macht.« Von Ton Steine Scherben. Das kenne ich auch. In den Häusern werden die Jalousien runtergelassen. Ladenbesitzer stehen vor ihren Geschäften und wissen nicht, ob sie lachen sollen oder schimpfen. Wenn meine Mutter erfährt, wo ich mich rumtreibe, kriegt sie einen Anfall und ich eine Predigt. Mit achtzehn ziehe ich von zu Hause aus.
    Plötzlich ein Schrei, dann etwas Dumpfes und dann Rauch. Ich drehe mich nach Maja um, aber die ist nicht mehr da. Meine Augen brennen, Megafone, »Hier spricht die Polizei«, und ich fange an zu husten. Ein paar Vermummte neben mir zünden einen Papierkorb an. Steine, Bierflaschen und Eier fliegen in Richtung der Polizisten. Noch mehr Rauch und Tränengas. Ich versuche, durch das Gedränge von der Straße wegzukommen. Neben mir stimmt ein Chor an: »Bullen sind böse, ab in die Friteuse!« Das ist witzig, irgendwie, aber mir sitzt gerade das Tränengas im Hals, deshalb kann ich nur innerlich ein wenig lachen. Noch mehr Steine. Ein alter Herr am Straßenrand schüttelt ungläubig den Kopf und droht mit der Faust, ich kann bloß nicht ausmachen, wem eigentlich. Hunde bellen überall. Ich schiebe mich weiter in Richtung Seitenstraße, stolpere und reiße mir dabei meine Jeans am Knie auf.
    Jemand packt mich am Arm und zieht mich in einen Hauseingang.
    »Mann, ich hasse solche pseudolinke Scheiße!« Jeffer versucht, wieder zu Atem zu kommen.
    »Was machst du dann hier am 1. Mai?« Ich tupfe mir mit einem Taschentuch Blut vom Knie.
    »Deinen Geburtstag feiern«, antwortet er und sieht mir herausfordernd in die Augen.
    »Wo sind die anderen?«
    »Maja wirft Steine und meine Jungs haben sich aus dem Staub gemacht.«
    »Waren sowieso Langweiler.«
    »Oha, da vergibt aber jemand schnell seine Stempel. Komm mit, ich lotse uns hier raus.« Er zieht mich etwas unsanft am Arm.
    Im Hinterhof stehen wir vor einer Mauer.
    »Wir sind das Volk …«, lacht Jeffer.
    »Du bist dann wohl mehr so der Witzbold, was?«
    »Kommst du heute mit zu mir?«
    Hat er das jetzt wirklich gesagt? Und vor allem – hat er das tatsächlich so gemeint? Er lächelt nämlich so unverschämt dabei, dass ich nicht sicher bin, ob das so ein Spaß ist, den ich wieder mal nicht verstehe, oder ob er mich möglicherweise in Verlegenheit bringen will. Vielleicht soll das auch ein Test sein? Und langsam sollte ich auch mal darauf antworten, wenn ich mich nicht ganz lächerlich machen will. Ich kann ja schlecht so tun, als hätte ich nichts gehört.
    »Hol uns erst hier raus.« Ich glaube, das ist für den Anfang nicht das Blödeste, was mir einfallen konnte.
    Jeffer macht eine Räuberleiter für mich und kommt dann hinterhergeklettert.
    Hinter der Mauer schaut uns eine türkische Großfamilie erstaunt an. Sie sind gerade beim Grillen. Sucuk, Zwiebeln und Mais.
    »Komm, komm runter, hier sicher«, sagt der Mann mit der Grillzange, so als wäre es das Normalste von der Welt, dass zwei Gestalten über seine Mauer klettern.
    Unten angekommen verschnaufen wir erstmal auf der Bierbank.
    »Ich bin Burak.« Er streckt uns die Hand entgegen. »Immer so, immer hier zu erste Mai. Wir nur hier wohnen, und die draußen Lärm machen, die ganze Nacht. Die Alis nicht können schlafen und Frau Ayten haben Angst. Scheiße Polizei. Bitte essen Sie mit uns. Hier ist sicher. Nicht gut, kommen nach Kreuzberg, wenn erste Mai.«
    Frau Ayten holt Sucuk für alle, wir lächeln uns höflich an.
    »Happy Birthday«, flüstert Jeffer mir ins Ohr und legt seine Hand auf meinen Arm.

    Satt sitzen wir in der S-Bahn Richtung Erkner und mit jeder Station sieht es weniger nach Berlin aus.
    »Wo bist du bloß hingezogen?«, frage ich Jeffer.
    »Dahin, wo es noch nach Osten riecht.«
    »Mann, das ist doch Ewigkeiten her, das mit dem Osten!«
    »Für dich vielleicht, aber meine Mutter kommt heute noch nicht drauf klar.«
    »Und was heißt das für dich?«
    »Dass ich sie immer sonntags zum Kaffee weinen sehe.«
    »Oh Mann.«
    Wir sehen zum Fenster und finden dort unser Spiegelbild.
    »Schau mal, sind wir nicht ein schönes Paar?«, sagt Jeffer.
    »Aber wir sind keins.« Ich lache etwas nervös.
    Was bildet er sich eigentlich ein?
    »Maja hat schon
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