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Ich würde dich so gerne kuessen

Ich würde dich so gerne kuessen

Titel: Ich würde dich so gerne kuessen
Autoren: Patrycja Spychalski
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unbeeindruckt.
    Puh! Das ist noch mal glattgegangen.
    Jeffer schließt die Tür und sieht sich in der Wohnung um.
    »Ich ziehe mir mal was an und bin gleich wieder da.«
    »Kein Problem.«
    Ich verschwinde in meinem Zimmer, atme tief ein, zähle bis zehn und atme dann wieder aus.
    Ich hole eine Jeans aus dem Schrank und ein ausgewaschenes blaues Shirt, das schon viel zu alt ist, aber trotzdem mein liebstes Kleidungsstück. Dann wiederhole ich die Atemübung und trete aus dem Zimmer.
    Jeffer sitzt in der Küche und trinkt meine Cola. Das ist wirklich dreist. Er hat die Musik leiser gedreht.
    »Woher weißt du, wo ich wohne?«
    »Du hast redselige Freunde.«
    Maja. Natürlich, wer sonst?
    »Ich will dich heute mitnehmen.« Er blättert in einer Gartenzeitschrift meiner Mutter.
    »Wohin?«
    »Wir machen Straßenmusik, an der Oberbaumbrücke.«
    »Mit Geld im Hut sammeln und so?«
    »Genau.«
    »Ich weiß nicht recht.«
    Natürlich komme ich mit, aber ein bisschen Zieren kann nicht schaden.
    »Frieda, komm schon, das wird ein Privatkonzert, nur für dich.«
    »Und wie komme ich zu der Ehre?« Ich tue immer noch skeptisch, bin es aber natürlich längst nicht mehr.
    »Na ja, es werden auch noch ein paar andere da sein, aber du kannst sie ignorieren, wenn du willst«, sagt Jeffer und grinst mich frech an.
    »Wir werden sehen.«
    Wir sitzen noch einen Moment in der Küche rum. Jeffer trommelt mit den Fingern auf den Tisch. Unangenehme Stille. Ich tue so, als würde ich einen Fleck von der Jeans wischen. Schließlich halte ich es nicht mehr aus, springe auf. »Na gut, gehen wir eben!«
    Ich packe meine Ledertasche, Geld, Blistex, Deo, Fotoapparat. Jeffer sieht sich mein Zimmer an.
    »So wohnen also Mädchen.«
    »Ich ziehe bald aus.«
    »Wo sind deine Eltern?«
    »Brunchen.«
    »Brunchen. Meine Güte. Ist dir mal aufgefallen, dass Leute ab einem bestimmten Alter ständig brunchen? Brunch, Raclette, Sushi und Fondue.«
    »Ist das schlimm?«
    »Nein, aber es könnte die dicken Oberschenkel und Bäuche erklären.«
    Ich schreibe meinen Eltern einen kurzen Zettel, diesmal ganz ohne Lügen.
    Wir verlassen die Wohnung. Im Treppenhaus steht Frau Weber am Briefkasten und sortiert ihre Werbung aus. Sie wirft einen Blick auf Jeffer, lächelt und sagt: »Ach, ihr jungen Leute!«
    Sonst sagt sie nichts und Jeffer verbeugt sich vor ihr zum Abschied. Frau Weber seufzt begeistert.
    Draußen scheint die Sonne. Angenehme, frühlingshafte Wärme. Ich ziehe meine Jacke aus und hänge sie mir über die Schulter. Jeffer stolziert neben mir wie ein Hahn, und ich wünschte, meine Eltern könnten uns so sehen, nur von Weitem, aber eben doch sehen.
    Das Gefühl des bevorstehenden Abends ist erhebend. Man glaubt, dass alles passieren könnte. Musik, neue Menschen, vielleicht irgendeine Verrücktheit. Ich war bisher immer sehr brav gewesen. Es ergab sich einfach nichts Aufregendes, aber jetzt habe ich Lust, einen draufzumachen, etwas Dummes anzustellen. Ich will glauben, dass die Welt nur mir gehört!

    Auf der Oberbaumbrücke wimmelt es nur so von jungen Menschen. Manche mit einem Instrument unterm Arm. Jeffer koordiniert, lotst die Musiker an ihre Plätze, stimmt die Gitarren, begrüßt alle und verteilt Zigaretten und Wangenküsse an kichernde Mädchen. Ich halte mich etwas abseits. Ich bin nicht der offene Typ, ich sehe mir die Dinge erstmal von Weitem an. Maja sagt, dass ich dadurch viel verpasse. Aber ich kann eben nicht raus aus meiner Haut. Ich habe das einmal versucht, die überdrehte witzige Small-Talk-Schiene zu fahren, aber das ging gründlich in die Hose. Meine Witze waren alt, mein Lachen gekünstelt, ich wollte mich übergeben und verschwand für die nächsten zwei Stunden auf der Toilette. Ich schämte mich. Als ich zurückkam, tanzten alle, und keiner kümmerte sich um mich. Ich ging nach Hause und heulte in mein Kissen. Ich wollte schrecklich gerne cool sein, aber es wollte mir einfach nicht gelingen.
    Jeffer kommt zu mir herüber und reicht mir ein Ginger Ale.
    »Brauchst du sonst irgendwas?«, fragt er.
    »Ich komme schon klar, mach dir mal um mich keinen Kopf.«
    »Ich mache mir schon die ganze Zeit einen Kopf um dich.«
    Dann verschwindet er wieder zu seinen Jungs und seiner Gitarre. Oh mein Gott! Ich fühle, wie ich rot werde, drehe mich einen Moment weg, schaue in Richtung Fernsehturm und zünde mir eine Zigarette an. Als Postkartenmotiv sieht das bestimmt gut aus.
    Und dann fangen die Jungs an. Soundcheck. Die ersten Menschen
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