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Die Augen der Ueberwelt

Die Augen der Ueberwelt

Titel: Die Augen der Ueberwelt
Autoren: Jack Vance
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1. Die Überwel t
    Auf der Anhöhe, die zu dem rauschenden Xzan hin abblickte, an der Stätte gewisser alter Ruinen, hatte Iucounu, der Lachende Magier, sich eine Burg ganz nach seinem Geschmack errichtet: ein ungewöhnliches Bauwerk mit Spitzgiebeln, Balkonen, luftigen Wandelgängen, Kuppeln und drei Spiraltürmen aus grünem Glas, durch die das rote Sonnenlicht sich glitzernd und in ungewohnten Farben brach.
    Hinter der Burg, über dem Tal, erstreckten sich, wie die Wogen einer stürmischen See oder die Dünen der Wüste, sanfte Hügel, so weit das Auge reichte. Die Sonne warf wandernde Halbmondschatten, ansonsten waren die Hügel ungezeichnet, kahl, einsam. Der Xzan, der im Alten Wald östlich von Almery entsprang, floß unterhalb dahin und mündete schließlich drei Meilen westlich im Scaum. Dort lag an der Mündung Azenomei, eine Stadt, die älter war, als man sich zu erinnern vermochte, und eigentlich nur ihres Jahrmarkts wegen von Bedeutung, der Leute von überall aus der näheren und weiteren Umgebung herbeilockte. Auf diesem Jahrmarkt in Azenomei hatte Cugel einen Stand, an dem er Talismane verkaufte.
    Cugel war ein Mann von mannigfaltiger Begabung mit sowohl wendigem als auch beharrlichem Wesen. Seine Beine waren lang, seine Hände geschickt, seine Finger behend, und seine Zunge war beredsam. Sein Haar von schwärzestem Schwarz wuchs spitz in die Stirn und wölbte sich hoch über den Brauen. Seine flinken Augen, die lange vorwitzige Nase und der verschmitzte Mund verliehen seinem fast hageren, knochigen Gesicht einen Ausdruck von Lebhaftigkeit, Aufrichtigkeit und Leutseligkeit. Seinen zahlreichen Schicksalsprüfungen verdankte er seine Anpassungsfähigkeit, Besonnenheit und sowohl Mut als auch Listenreichtum. Aus einem alten Bleisarg, der in seinen Besitz gekommen war, hatte er – nach Entledigung des Inhalts – eine größere Zahl Rauten gefertigt, die er, mit passenden Siegeln und Runen versehen, auf dem Jahrmarkt von Azenomei zum Verkauf feilbot.
    Unglücklicherweise für Cugel hatte ein gewisser Fianosther keine zwanzig Schritte von seinem Stand einen größeren eröffnet, mit ähnlicher Ware, doch weit größerer Auswahl und augenscheinlicherer Wirksamkeit. So kam es, daß, wann immer Cugel einen Vorübergehenden anhielt, um ihm die Vorzüge seines Angebots schmackhaft zu machen, dieser in fast jedem Fall einen Einkauf vorwies, den er bei Fianosther getätigt hatte, und seines Weges zog.
    Am dritten Jahrmarktstag hatte Cugel erst vier Talismane verkauft, und das zu einem Preis, der kaum über den des unbearbeiteten Bleis hinausging, während Fianosther ob seiner vielen Kunden außer Atem geriet. Heiser vom vergeblichen Ausschreien, schloß Cugel seinen Stand und näherte sich Fianosthers, um sich dessen Bauweise und den Türverschluß näher anzusehen.
    Fianosther bemerkte ihn und winkte ihn herbei. »Tretet ein, mein Freund, tretet ein. Was macht das Geschäft?«
    »Um ehrlich zu sein, es geht nicht sehr gut«, antwortete Cugel.
    »Ich bin sowohl überrascht als auch enttäuscht, denn meine Talismane sind doch ganz offensichtlich nicht nutzlos.«
    »Ich kann Euch sagen, woran es liegt. Ihr habt Euren Stand an der Stätte des alten Galgens aufgestellt, und er hat all die schlimmen Ausstrahlungen aufgesogen. Aber ich glaubte zu bemerken, mit welchem Interesse Ihr die Verbindung der Bretter meiner Bude begutachtet. Von innen könnt Ihr Euch ein besseres Bild machen, doch zuvor muß ich die Kette meines Erbs verkürzen, der des Nachts meine Räumlichkeiten bewacht.«
    »Nicht nötig«, entgegnete Cugel. »So groß ist mein Interesse nicht.«
    »Was Eure Enttäuschung betrifft«, fuhr Fianosther fort, »sie muß nicht anhalten. Betrachtet diese Regale. Ihr werdet sehen, daß mein Vorrat erschöpft ist.«
    Cugel bestätigte es. »Was hat das mit mir zu tun?«
    Fianosther deutete über die Budengasse auf einen ganz in Schwarz gekleideten Mann. Er war klein, gelbhäutig und kahlköpfig. Seine Augen erinnerten an Knorren im Holz; sein Mund war breit, und die Winkel zeigten nach oben, als grinse er ständig belustigt. »Dort steht Iucounu, der Lachende Magier«, erklärte Fianosther. »Gleich wird er meine Bude betreten, weil er ein bestimmtes rotes Buch erstehen möchte, das Nachschlagwerk Dibarcus Maiors, eines Schülers des Großen Phandaal. Mein Preis ist höher, als er zu zahlen bereit ist, aber er ist ein geduldigerMann und wird mindestens drei Stunden seine Überredungskünste walten lassen. Inzwischen
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