Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
- Der Jünger des Teufels

- Der Jünger des Teufels

Titel: - Der Jünger des Teufels
Autoren: Glenn Meade
Vom Netzwerk:
1.
Greensville,
Virginia
    Keine Nacht sollte so kalt sein, kein Winter so
weiß, kein Tod so grauenhaft.
    Es schneite, als ich auf den überfüllten Parkplatz vor dem Staatsgefängnis
in Greensville fuhr. Als ich ausstieg und die eisige Januarluft atmete,
brannten meine Lungen. Ich schloss meinen acht Jahre alten Bronco ab und
stapfte zum Eingang.
    Windgepeitschter Schnee fegte über die wartenden Teams der
TV-Nachrichtensender, ihre Übertragungswagen und ihre von Eiskristallen
bedeckten Satellitenschüsseln hinweg. Der frostharte Schnee knirschte unter
meinen Schritten. Der Wollmantel und der Schal, die ich trug, vermochten mich
kaum vor der eisigen Kälte zu schützen; ebenso wenig wie meine wadenlangen
Winterstiefel. Mein Mantel war hellbeige, obwohl Schwarz passender gewesen
wäre. Schwarz wie der Tod. Denn ich war hier, um einer Hinrichtung beizuwohnen.
Doch ich betrauerte nicht das bevorstehende Ende eines menschlichen Lebens – ich
freute mich auf diesen Tod.
    Gleich würde ein Killer durch die Todesspritze sterben, und
ich genoss den Gedanken an die Hinrichtung. Aber hier ging es nicht um einen
gewöhnlichen Killer, sondern um ein Ungeheuer.
    Ein Fernsehreporter sah mich und rief: »Miss Moran, würden Sie
den Zuschauern von Channel Five …«
    Ich hörte gar nicht hin. Zeitungsreporter winkten, um meine
Aufmerksamkeit zu erhaschen, doch auch sie beachtete ich nicht und ging zum
hell erleuchteten Eingang. Mehrere Gefängniswärter standen neben der Tür. Sie
trugen Schals und Uniformmäntel. Ihr Atem wogte wie Rauch in der eisigen Luft.
Einer öffnete mir die Tür und führte mich in die warme Eingangshalle des
Gefängnisses. Dort standen mehrere Reihen Plastikstühle für Besucher; in einer
Ecke erblickte ich einen mit Süßigkeiten und alkoholfreien Getränken bestückten
Automaten. Am Ende der Halle sah ich einen Informationsschalter mit einer
elektronischen Sicherungsschleuse, die zum Gefängniseingang führte. Hinter dem
Schalter saß ein Wärter. Ich ging zu ihm und zeigte ihm meinen Ausweis sowie
meinen Brief, der von Gefängnisdirektor Lucius Clay persönlich unterschrieben
war. Ich hatte Clay angerufen und um die Erlaubnis gebeten, heute Abend als Zeugin
zugelassen zu werden.
    Liebe Miss Moran, hiermit wird Ihnen die Erlaubnis erteilt,
der Hinrichtung von Constantine Gemal am Freitag, dem 13. Januar, um 21.00 Uhr beizuwohnen.
    Der Brief enthielt keinerlei Zusatz, der hätte lauten
können: Während Sie zuschauen, wie dieser Hurensohn brüllend zur Hölle fährt,
reichen wir Ihnen Erfrischungsgetränke und einen kleinen Snack. Wir
wünschen Ihnen viel Vergnügen! Das wäre
natürlich ein bisschen viel verlangt gewesen, aber ich konnte mir gut
vorstellen, dass einigen der bei dieser Hinrichtung anwesenden Zeugen ein
boshafter Scherz auf Kosten Gemals sehr gefallen hätte.
    Der Wärter überprüfte meine Dokumente und musterte mich dann
eingehend, als würde er sich nicht einmal auf meinen FBI-Ausweis oder auf die
Einladung des Gefängnisdirektors verlassen. »Special Agent Katherine Moran?«
    Im ersten Moment war ich versucht, den Mann zu verbessern und
ihm zu sagen, dass ich als Kate Moran hier war, als Privatperson, nicht als
FBI-Agentin, doch ich unterließ es. »Ja.«
    »Die anderen Zeugen wurden bereits in Gefängnisbussen zur Exekutionskammer
im Trakt L gefahren, Agent Moran.«
    »Ich bin vor Richmond in dichten Verkehr geraten.«
    »Verstehe. Heute Abend haben sich wegen des Schnees fast alle
verspätet. Ist aber kein Problem. Sie werden in einem anderen Bus zu Trakt L gefahren.
Ich rufe nur schnell den Direktor an und sage ihm, dass Sie hier sind.«
    Der Wärter reichte mir meine Dokumente zurück und führte ein
kurzes Telefonat. »Es ist alles geregelt«, sagte er dann. »Der Direktor ist auf
dem Weg hierher, und gleich holt ein Bus Sie ab. Es wird nicht länger als fünf
Minuten dauern.«
    »Danke.«
    Ich warf einen Blick über die Schulter und schaute aus dem Fenster
auf die wartenden Fernsehreporter auf dem vereisten Parkplatz. Sie tranken
heißen Kaffee und atmeten weiße Wolken in die frostklirrende Luft, während sie
mit den Füßen stampften. Die verschneite Winterlandschaft leuchtete schneeweiß
in dem grellen Licht, das den Parkplatz überflutete. Plötzlich fiel mir etwas
auf. Es war so ungewöhnlich, dass ich es sofort hätte bemerken müssen, doch aus
irgendeinem Grund hatte ich es übersehen – vielleicht, weil ich zu spät
gekommen und nervös war.
    Es waren nur noch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher