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- Der Jünger des Teufels

- Der Jünger des Teufels

Titel: - Der Jünger des Teufels
Autoren: Glenn Meade
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fünfundvierzig Minuten bis zur
Hinrichtung, doch vor dem Gefängnis hatten sich bis jetzt keine Gegner der
Todesstrafe sehen lassen, und das war äußerst ungewöhnlich. Normalerweise
versammelten sich ganze Heerscharen von Demonstranten, die meisten mit besten
Absichten. Sie hielten Mahnwachen oder schwenkten Transparente, während sie
beteten und Hymnen sangen. Aber nicht an diesem eiskalten Januarabend.
    Doch es hätte mich auch überrascht, hätte selbst der
erbitterste Gegner der Todesstrafe die Hinrichtung Constantine Gemals als
Tragödie angesehen. Wahrscheinlich hätte sich so mancher sogar freiwillig
gemeldet, Gemal das Gift persönlich zu spritzen. Dies war keine normale Exekution.
Und der Mann, der gleich hingerichtet werden sollte, war kein gewöhnlicher
Killer. Halten wir uns an den Namen, den ein Reporter aus Washington Gemal
gegeben hatte: »Jünger des Teufels«.
    Der Tag, an dem ich Gemal vor einem Jahr in Arizona geschnappt
hatte, war einer der denkwürdigsten meines Lebens gewesen. Denn an jenem Tag waren
zwei bedeutsame Dinge geschehen. Zum einen hatte ich Gemal erwischt. Zum
anderen hätte ich mir beinahe eine Kugel in den Kopf geschossen.

2.
Arizona
    Es war zwei Uhr nachts an einem ungewöhnlich
kalten, stürmischen Morgen am Rande von Sedona. Ich starrte hinaus auf die vom
Regen überschwemmte Wüste in der Ferne, während ich mir die Mündung meiner
Dienstwaffe an den Kopf drückte. Auf das Dach des Comfort Inn Motels prasselte
der Regen. Jeder Knochen in meinem Leib schmerzte vor Erschöpfung, und meine
Augen waren vom Schlafmangel verklebt und geschwollen.
    Auf das ausgedörrte schwarze Land hinter meinem Fenster peitschte
einer der typischen Regengüsse Arizonas. Blitze zuckten über den Horizont; man
hätte glauben können, die Welt draußen ginge unter. Auch meine innere Welt war
ein Chaos und stand kurz vor dem Zusammenbruch. Alles war schiefgegangen. Ich
presste mir die Mündung der Glock gegen die Wange. Der kalte Stahl fühlte sich
weich an und erinnerte mich an Davids Finger, die meine Haut
streichelten. O Gott, warum lässt du mich so leiden? Es war ein schweres
Jahr ohne ihn, und der Schmerz nimmt kein Ende.
Bitte, lass es aufhören.
    Meine Augen wurden feucht, als ich mir die Waffe wieder an die
Schläfe drückte. Ich hatte unruhig geschlafen und war vor zehn Minuten mit
einem Gefühl unsäglicher Verzweiflung aufgewacht. Vier Jahre Schufterei und
Höllenqualen hatten mir nur Schmerzen und Enttäuschungen eingebracht. Eine
innere Stimme riet mir, Schluss zu machen und mich mit David und Megan zu
vereinen, den beiden Menschen, die ich am meisten geliebt hatte. Doch eine
andere Stimme sagte: Du bist es ihnen schuldig, ihren Killer zu schnappen.
    Mein Ex-Mann Paul hatte oft gesagt, ich sei eine starke
Frau, und meine schwache Seite käme nur selten zum Vorschein. In diesem
Augenblick fühlte ich mich schwach, und das passte eigentlich gar nicht zu mir.
    Als es an die Tür klopfte, zuckte ich zusammen und hätte
beinahe auf den Abzug gedrückt.
    »Wer ist da?«, rief ich und legte die Glock auf den
Nachtschrank.
    »Lou.«
    Mir fiel ein Stein vom Herzen, eine vertraute Stimme zu
hören. Ich wischte mir über die Augen und öffnete. Vor mir stand Lou Raines. Er
war braun gebrannt, sah aber müde aus. Sein Hemd war zerknittert, und seine
Krawatte hing schief. Grumpy Lou, mein Boss. Ein Typ, bei dem man immer mit
offenen Worten und bissigen Bemerkungen rechnen musste. Lou war Chef der FBI-Nebenstelle
in Washington D.C. Er hatte fünfundzwanzig Dienstjahre auf dem Buckel, und sein
Fell war so dick wie der Hintern eines Jockeys. Seit ich beim FBI angefangen hatte,
war er wie ein Vater zu mir gewesen, und ich liebte ihn heiß und innig. Ich
konnte mir sogar gut vorstellen, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhte. »Hier
draußen regnet es wie aus Eimern, Sailor. Tut mir leid, dass ich so reinplatze.
Sie sehen überrascht aus.«
    Ich ließ Lou herein. Er nannte mich »Sailor«, seitdem David
und ich ihn einmal zu einer Fahrt auf einem Clipper-Segelboot eingeladen
hatten, das einst Patrick gehört hatte, Davids Bruder. »Ich dachte, Sie und Mags
machen drei Wochen Urlaub auf Hawaii«, sagte ich.
    Lou schüttelte den Regen von seinem Mantel und schloss die Tür.
»Wir sind gestern Morgen zurückgekommen. Meine Frau meinte, wenn wir beide noch
einen Tag in trauter Zweisamkeit verbringen, hätte einer von uns am Ende eine
Mordanklage am Hals. Deshalb hielt ich es für das Beste, ihr vorerst aus
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