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Ich würde dich so gerne kuessen

Ich würde dich so gerne kuessen

Titel: Ich würde dich so gerne kuessen
Autoren: Patrycja Spychalski
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dass er nicht mehr da sein könnte.
    Mein Blick streift noch einmal die Küche.
    In der Ecke steht ein großer Karton. Ich starre gedankenverloren drauf, und erst eine Weile später fällt mir auf, dass auf dem Karton mein Name steht.
    Für Frieda
    Ich setze mich auf den Boden, neben den Karton und streiche über den Deckel. Erst nach einigen Minuten kann ich mich entschließen, ihn zu öffnen.
    Ganz oben liegt ein großer verschlossener Umschlag, auf dem wieder mein Name steht. Ich nehme ihn heraus und lege ihn erstmal zur Seite. Dann der Plattenspieler und unten drunter ein ganzer Stapel Platten. Ich schaue sie nur flüchtig durch, aber es sind all die Platten, die wir immer zusammen gehört haben. Ich schließe den Plattenspieler an die Steckdose an und lege eine Doors-Platte auf.
    »When the music’s over.«
    Natürlich.
    Untergangsstimmung.
    Diese Musik – theatralisch, pathetisch, eigentlich ganz furchtbar und gleichzeitig trifft sie einen wirklich ins Mark.
    Ich reiße den Umschlag auf und hole einen Brief heraus.
    Hey Frieda,
    du hattest recht. Das Haus an der Ostsee gehört jemandem.
    Und dieser jemand hat nicht die geringste Lust, mit mir zu verhandeln.
    Wie gewonnen, so zerronnen.
    Ich kann trotzdem nicht mehr bleiben.
    Ich weiß, dass du das nicht verstehst, aber ich wünschte, du könntest.
    Ich mag hier nicht viele Worte machen, meistens kommt dabei nicht viel rum und ich hätte mich gerne auch von dir persönlich verabschiedet, aber ich konnte nicht. Kiki wusste, wieso.
    Du wirst denken, dass ich feige bin.
    Du hast mich eigentlich immer schon ganz gut durchschaut.
    Das war eine kurze Begegnung, die wir da hatten. Ich mochte es am meisten, dich in den Boots auf den Dielen des Secondhandladens laufen zu sehen. Das Bild ist ständig in meinem Kopf.
    Du solltest Gitarre spielen lernen. Du hast einen guten Anschlag. Außerdem siehst du mit Gitarre sexy aus.
    Meine Platten sind jetzt deine Platten. Sei nett zu ihnen. Sie waren mein größter Schatz.
    Ich sehe dich diesen Brief lesen und höre deine tausend Fragen. Du musstest immer fragen!
    Aber du hattest schon immer gewusst, dass ich mich bloß interessant machen will, und deshalb kann ich diese ganzen Fragen nicht beantworten. Das verstehst du doch?
    Ich habe dich gerne geküsst.
    Ich habe gerne Tierfilme mit dir geguckt.
    Meine Mutter war hingerissen von dir. »Ach, was für eine nette, junge Frau!« Würg!
    Dein Lieblingswort war »vielleicht«.
    Deine Haare standen nach dem Aufstehen lustig vom Kopf ab.
    Ich glaube, der Sänger von den Black Birds (dieser Arsch!) steht total auf dich.
    Ich bin froh, dass wir kein Liebespaar gewesen sind.
    Ich habe dich gerne geküsst.
    Jeffer
    Wow.
    Jetzt hätte ich eigentlich erwartet zu weinen. Aber ich tue es nicht. Nicht aus Trotz oder weil ich mich zusammenreißen will. Es kommt einfach nichts. Keine einzige Träne.
    Diesen Brief werde ich aufheben. Bestimmt solange ich lebe. Möglicherweise werde ich ihn irgendwann meinen Enkeln zeigen.
    Natürlich bin ich traurig. Sehr.
    Aber gleichzeitig habe ich das Gefühl, als ob irgendetwas von mir abfällt. Dieses Gefühl hatte ich schon einmal, dort an der Ostsee, als ich alleine zum Bahnhof losgelaufen bin. Ich kann nicht genau sagen, was es ist. Vielleicht werde ich es in zehn Jahren sagen können.
    Ich bin gerührt, dass Jeffer mir seine Platten vermacht hat. Jim Morrison singt: »The music is your only friend, until the end.« Ich sage ja, es ist pathetisch, aber trotzdem …
    Diese Episode ist zu Ende.
    Ich kann einen Strich drunter ziehen. Das kann man nicht oft.
    Ich lege die Platte in ihre Hülle zurück und stöpsle den Plattenspieler aus. Dann verstaue ich alles wieder in dem Karton. Den Brief stecke ich in meine Tasche.
    Der Karton ist schwer, ich werde Mühe haben, ihn nach Hause zu schaffen.
    Eine kleine Weile werde ich noch bleiben und auf die grüne Wand starren, die wir zusammen gestrichen haben.
    Als ich den Schlüssel höre, der sich im Türschloss dreht, bekomme ich Panik. Hausmeister? Nachmieter? Hat mich jemand hier reingehen sehen und hat es gleich gemeldet?
    Aber es ist Edgar.
    Er ist nur halb so überrascht, mich zu sehen, wie ich ihn.
    »Na, das nenn ich ja mal einen Zufall!« Er grinst mich fröhlich an.
    »Hey.«
    »Ich wusste, dass du irgendwann hier auftauchst.«
    »Woher?«
    »Schließlich steht in der Ecke der Karton für dich.«
    »Das wusste ich nicht.«
    »Aber du bist da«, sagt er. Edgar hat eigentlich auch immer schon gut
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