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Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast

Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast

Titel: Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast
Autoren: Lois Duncan
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fest umschlossen hielt. »Wolltest du denn, dass ich dich so nenne? Das war mir nicht klar. Als wir uns kennengelernt haben, hast du mir erzählt, dass dich alle in deiner Familie Bud nennen.«
    »Mein kleiner Bruder hat damit angefangen«, sagte er leise. »Danny war so ein süßer kleiner Junge. Als Kind konnte er ›Collingsworth‹ nicht aussprechen und rief mich stattdessen ›Bubba‹ – du weißt schon, für Bruder. Und als er dann größer wurde, fing er an, Bud zu sagen.«
    »Das ist … sehr süß.« Julie lächelte unbehaglich und fragte sich, warum er ihr das alles erzählte. »Hör zu, Bud, ich sollte langsam wieder reingehen. Meiner Mom geht es nicht gut.«
    »Meiner Mom auch nicht.« Buds Stimme klang ganz dumpf. »Ihr geht es sogar noch viel schlechter als deiner. Und schuld daran seid ihr vier! Eigentlich wollte ich mit jedem Einzelnen von euch abrechnen, aber es ist nicht ganz so gelaufen, wie ich es geplant hatte. Du, Julie, standst ganz oben auf meiner Liste. Weil du so geschmacklos warst, die Blumen zu schicken.«
    »Die Blumen?«, flüsterte Julie. »Du meinst … oh Gott! Du bist …«
    Bud ließ ihre Hand los. Einen Moment lang stand Julie wie gelähmt da, dann schaffte sie es, den Mund zu öffnen, um zu schreien. Zu spät. Ihr Schrei verstummte zu einem Röcheln, als sich zwei starke Hände um ihren Hals schlossen.
    »Rosen«, sagte Bud. »Gelbe Rosen – ein riesiger Strauß gelber Rosen! Pa hat sie mir genau beschrieben. Er hat gesagt, sie hätten wie kleine Sonnen ausgesehen! Wenn du ihm die Sonne schenken wolltest, warum hast du dann nicht angehalten? Warum hast du dich nicht neben ihn auf die Straße gekniet, nach seiner Hand gegriffen und ihn getröstet? Hast du wirklich geglaubt, du könntest dich mit ein paar Rosen von deiner Schuld loskaufen? Was nützen Rosen einem kleinen Jungen, der allein im Dunkeln stirbt?«
    Die Hände drückten zu. Es gab nichts mehr auf der Welt als diese Hände – die Hände und den Schmerz und das Rauschen in ihren Ohren und die Millionen kleiner Lichtblitze hinter ihren Lidern.
    Er wird mich umbringen, dachte Julie fassungslos. Er wird mich mit seinen bloßen Händen umbringen! Aber ich will noch nicht sterben. Ich habe doch noch gar nicht richtig angefangen zu leben. Es gibt noch so viel, was ich erleben möchte – studieren, mein eigenes Geld verdienen, heiraten, Kinder … Mein ganzes Leben liegt noch vor mir!
    Und Mom! Mein Gott, erst Dad und jetzt ich … Es würde ihr das Herz brechen!
    Ich werde Ray nie wiedersehen.
    Einmal hatte sie in seine grünen Katzenaugen geblickt und gesagt: »Ich liebe dich.« Nur ein einziges Mal.
    Vor so langer Zeit. Er wird es nie wissen, dachte sie verzweifelt. Er wird nie erfahren, dass ich ihn immer noch liebe.
    Der Gedankenstrom riss ab. Bleierne Schwärze umfing sie, und dann wusste sie, wie es sich anfühlte … allein im Dunkeln zu sterben.
    »Julie! Julie, wach auf!« Die Worte drangen wie aus weiter Ferne zu ihr und schafften es kaum, das dröhnende Rauschen des Blutes in ihren Ohren zu durchdringen.
    »Julie! Komm zu uns zurück! Julie!«
    Ich träume, dachte sie. Träumt man, wenn man tot ist? Träumt Danny Gregg? Träumt mein Vater?
    »Sie kommt zu sich«, sagte eine Stimme, die vertraut klang. »Julie?«
    Sie öffnete die Augen. Über ihr waren die Sterne und das Gesicht eines Jungen, der sich über sie beugte.
    »Julie, kannst du sprechen?«
    »Ray?«, wisperte sie angestrengt, während ein stechender Schmerz ihre Kehle durchfuhr. »Bud… er wollte mich …«
    »Ich weiß.« Ray strich ihr behutsam eine Strähne aus dem Gesicht. »Du musst keine Angst mehr haben. Er kann dir nichts mehr tun. Ich habe ihm von hinten eins mit der Taschenlampe übergezogen.« Er schüttelte den Kopf. »Oh Mann, ich glaube, ich bin gerade noch rechtzeitig gekommen.«
    »Wie fühlst du dich, Liebes?« Ihre Mutter beugte sich besorgt über sie. »Gott, dieser Kerl muss vollkommen verrückt sein, dich einfach so ohne Grund anzugreifen.«
    »Er hatte einen Grund«, antwortete Julie leise. »Einen ziemlich guten sogar. Ray, woher wusstest du …? Wieso bist du hier?«
    »Barry hat mich vor ein paar Minuten angerufen und den Pakt aufgelöst. Er hat gesagt, dass wir in Gefahr sind – du, Helen und ich –, und dass ich euch so schnell wie möglich warnen soll. Ich habe versucht, dich zu erreichen, aber eure Leitung war tot, und Helen ist weder ans Festnetz noch an ihr Handy gegangen. Und dann fielen mir wieder seine Hände ein
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