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Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast

Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast

Titel: Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast
Autoren: Lois Duncan
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wäre niemals in der Lage, sie so zu täuschen.
    Nein, er hatte mit Sicherheit exakt das wiedergegeben, wa s er von Barry erfahren hatte. »Dann war es Barry«, flüsterte sie erschüttert. »Barry hat gelogen.«
    Mein Barry, dachte sie verzweifelt. Ihr strahlender Held mit dem charmanten Lächeln, dem übermütigen Funkeln in den Augen und dem aufbrausenden Temperament. Ihr über alles geliebter Freund, der so wunderbar küssen konnte. Der Mann, der sie heiraten wollte – denn das wollte er doch, oder? –, der sie anbetete – denn das tat er doch, oder? –, und der seit dem Tag, an dem er in seinem roten Sportwagen neben ihr angehalten hatte, nie mehr ein anderes Mädchen angesehen hatte … oder?
    Barry hat gelogen. Helen spürte, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen. Er hat Ray nicht die Wahrheit gesagt, als er behauptet hat, der Anschlag auf ihn sei ein Raubüberfall gewesen.
    Sie wusste nicht, warum er gelogen hatte, aber ganz gleich, ob er es aus Wut über eine eingebildete Kränkung getan hatte, aus Verbitterung über seine Verletzung, aus purer Bösartigkeit oder aus Angst, Ray könnte den Pakt brechen und zur Polizei gehen – der Grund spielte keine Rolle. Er hatte gelogen. Und mit dieser Lüge hatte er bewiesen, wie wenig ihm an ihnen lag – an Ray, an Julie und an ihr.
    »Er hat mich doch geliebt«, wisperte Helen, aber sie hörte selbst, wie hohl und bedeutungslos die Worte klangen. Auch das war eine Lüge gewesen.
    » Collie?«, rief sie noch einmal. »Collie? Bist du noch da ? Rede mit mir!« Wieder war die Antwort nichts als Stille.
    Helen lauschte angestrengt, aber von der anderen Seite der Tür drang kein einziger Laut zu ihr herein. Hatte er sich vielleicht wieder in den Sessel gesetzt und lauerte dort still und leise auf sie? Wollte er sie glauben machen, er hätte aufgegeben und sei gegangen, weil er hoffte, dass sie dann von selbst herauskommen würde? Hielt er sie wirklich für so dumm?
    Warum bricht er nicht einfach die Tür auf?, dachte Helen . Stark genug ist er. Hat er vielleicht Angst, der Lärm könnte die Nachbarn alarmieren und veranlassen, nach dem Rechten zu sehen?
    Plötzlich drang von der anderen Seite der Tür ein leises metallisch schabendes Geräusch zu ihr.
    Was um alles in der Welt …?
    Da war es wieder. Leise, aber zielstrebig.
    Helens Blick flog zum oberen Rand der Tür und ihr stockte der Atem. Das rechteckige Blech des Scharniers bewegte sich. Collie schraubte es ab!
    Ich kann nicht einfach hier stehen bleiben und warten, bis er mich umbringt, dachte sie verzweifelt. Ich muss etwas tun … irgendetwas …
    In ihrer Verzweiflung riss sie den Spiegelschrank über dem Waschbecken auf, griff sich eine schwere Parfumflasche, stieg auf den heruntergeklappten Klodeckel und kletterte von dort auf den Spülkasten. Dann hob sie die Flasche mit beiden Händen hoch über den Kopf und schlug mit aller Kraft so lange gegen das kleine Fenster, bis die Scheibe splitterte. Hastig brach sie die Scherben am Rand heraus, zog sich dann hoch und zwängte Kopf und die Schultern durch die schmale Öffnung. Sie spürte keinen Schmerz, dachte nicht darüber nach, dass sie immerhin im zweiten Stock des Gebäudes wohnte …
    »Hilfe!«, rief sie. »Hilfe!«
    Vom Pool her wehten fröhliche Stimmen zu ihr herauf – sie hörte Wasser plätschern, Gelächter, ein paar Gitarrenakkorde. Der Garten war verwaist und lag bis auf die von einigen wenigen Lampen beleuchteten Abschnitte wie ein dunkler Abgrund unter ihr.
    »Hilfe!«
    Und weil es das Einzige war, das ihr übrig blieb, schob sie sich schließlich durch die Fensteröffnung und ließ sich in die Tiefe fallen.

ACHTZEHN
    » Willst du es dir nicht doch noch ein mal überlegen und lieber zu Hause bleiben?« Mrs James musterte ihre Tochter besorgt. »Es klingt albern, ich weiß, aber … ich habe wieder diese Vorahnungen …«
    »Ach, Mom! Du und deine Vorahnungen.« Julie lachte, obwohl sie das Unbehagen, das sie erfasste, nicht ganz abschütteln konnte. Die Vorahnungen ihrer Mutter hatten sich zwar schon ein paarmal als falscher Alarm herausgestellt, viel öfter aber waren sie zutreffend gewesen. Sie würde nie den Nachmittag vergessen, als ihre Mutter sie bei einer Freundin anrief und bat, nach Hause zu gehen, um zu schauen, ob alles in Ordnung war. Die Sorge ihrer Mutter war ihr damals absolut übertrieben vorgekommen – bis sie den schwarzen Rauch gesehen hatte, der aus dem gekippten Küchenfenster gequollen war.
    »Ich gehe doch bloß
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