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Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast

Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast

Titel: Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast
Autoren: Lois Duncan
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Julie mit belegter Stimme. Die Kälte in ihrem Magen wanderte höher, bis sie ihr Herz erfasste. Hastig schob sie ihren Stuhl zurück und stand auf. »Ich muss noch mal nach oben, meine Geschichtsunterlagen zusammensuchen.«
    »Aber du hast doch noch gar nichts gegessen«, rief Mrs James und zeigte auf den Teller mit Rührei und Toast, der unangetastet auf dem Tisch stand.
    »Tut mir leid«, entschuldigte Julie sich. »Ich … ich glaube, ich bin jetzt einfach zu aufgeregt, um auch nur einen Bissen herunterzubekommen.«
    Als sie aus dem Esszimmer ging, spürte sie den besorgten Blick ihrer Mutter auf sich ruhen. Selbst als sie die Treppe zu ihrem Zimmer hochstieg, schien er sie noch zu verfolgen.
    Mom weiß zu viel, dachte sie. Wie macht sie das nur, dass sie mich immer durchschaut? »Du hast dich in den vergangenen Monaten wirklich unglaublich verändert, Julie«, hatte ihre Mutter gesagt. »Ich kann dir sogar fast auf den Tag genau sagen …«
    Kannst du nicht, erwiderte Julie stumm. Jedenfalls nicht wirklich. Und du solltest es auch nicht versuchen. Bitte, Mom, du solltest es erst gar nicht versuchen.
    Sie floh in ihr Zimmer und schob die Tür hinter sich zu, die mit einem leisen Klicken ins Schloss fiel und sie so vor ihrer Mutter, dem kalt gewordenen Rührei und dem Kaffee im Esszimmer unten verbarg. Schützend umgaben sie die Wände ihres Zimmers, das wie gemacht war für ein hübsches junges Mädchen, das von allen geliebt und gemocht wurde und mit sich und der Welt im Reinen war. Ein Mädchen, das ein völlig unbeschwertes und sorgenfreies Leben führte.
    Ihre Mutter hatte das Zimmer zu ihrem letzten Geburtstag vor gut einem Jahr neu streichen lassen. Julie hatte sich die Farbe aussuchen dürfen und sich, ohne zu zögern, für ein strahlendes Pink entschieden – ihre Lieblingsfarbe, die sie am häufigsten trug, obwohl sie rothaarig war.
    In der hintersten Ecke ihres Kleiderschranks lag, unter all ihren anderen Sachen vergraben, ein hellrosa Wickeltop. Sie hatte es an jenem Abend im letzten Sommer zum ersten Mal angehabt. »Du siehst aus wie eine sommersprossige Rosenknospe«, hatte Ray sie liebevoll geneckt. Obwohl das Top wirklich wunderschön war, hatte sie es nach diesem Abend nie wieder angezogen. Sie hätte es auch schon längst entsorgt, wenn sie nicht befürchtet hätte, ihre Mutter könnte sich eines Tages daran erinnern und sie danach fragen.
    Julie setzte sich ans Fußende ihres Betts und atmete langsam ein und aus, während die Kälte in ihrem Inneren allmählich abebbte und ihr Herzschlag sich normalisierte.
    Das ist doch bescheuert, dachte sie. Es ist jetzt fast schon ein Jahr her, seit die Sache passiert ist, und ich habe mir geschworen, nicht mehr darüber nachzudenken. Wenn ich mich nicht wieder in ein totales Nervenbündel verwandeln will, darf ich mich durch eine so harmlose Bemerkung wie die von Mom nicht derart aus der Fassung bringen lassen.
    Sie begegnete ihrem eigenen Blick in dem ovalen Spiegel über der Kommode. Ich habe mich verändert, dachte sie ein bisschen überrascht. Das Mädchen im Spiegel – ernst und blass – hatte kaum noch Ähnlichkeit mit der Julie von vor knapp einem Jahr, die temperamentvoll und fröhlich gewesen war, die kleinste, aber lauteste Cheerleaderin der Schule. Das Mädchen, das sie jetzt sah, hatte dunkle Schatten unter den Augen und einen angespannten Zug um den Mund.
    Nur noch ein paar Monate, dann studierst du an der Ostküste und bist weg, sprach Julie sich stumm Mut zu. Du wirst in einer anderen Stadt leben und musst nie mehr diese unglückselige Straße mit dem Grillplatz entlangfahren, Rays Mutter in der Drogerie über den Weg laufen, Barry auf dem Campus begegnen oder Helen im Fernsehen sehen. Du wirst nicht mehr hier sein. Du wirst frei sein! Eine neue Stadt, neue Leute, neue Erfahrungen – du wirst gar keine Zeit mehr haben, über Vergangenes nachzudenken.
    Langsam entspannte sie sich und auch ihr Atem ging wieder gleichmäßig und ruhig. Julie griff nach dem Brief vom Smith College, den sie neben sich aufs Bett gelegt hatte, und betrachtete noch einmal ihren auf den Umschlag gedruckten Namen. Sie beschloss, ihn in die Schule mitzunehmen. Nicht um die tolle Neuigkeit mit ihren Freunden und Mitschülern zu teilen – von denen hatte sie sich in diesem Jahr fast völlig zurückgezogen –, sondern um ihn ihrem Englischlehrer Mr Price und Mrs Busby zu zeigen, die amerikanische Geschichte unterrichtete. Sie würden sich sicher für sie freuen.
    Und
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