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Ich und er und null Verkehr

Ich und er und null Verkehr

Titel: Ich und er und null Verkehr
Autoren: Kim Schneyder
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diese private Sache, meine ich.«
    Â»Soll das eine Entschuldigung sein?«
    Â»Nein, natürlich nicht«, sagt er hastig. »Ich habe schließlich nur
meinen Job gemacht.«
    Â»Okay.« Ich ergreife seine Hand. »Trotzdem danke.«
    Die Fahrt im Streifenwagen ist schnell gegangen, und auf
den geschätzten zehn Kilometern von der Kanzlei bis zum Prado habe ich so
ziemlich alle Verkehrsregeln gebrochen, die es gibt. Dennoch ist es schon halb
elf, als ich endlich dort eintreffe.
    Ich habe gar nicht versucht, Sandra noch einmal anzurufen, weil ich
es endlich begriffen habe. Sie hat ihr Telefon nach dieser SMS abgestellt, weil
sie wollte, dass ich selbst komme. Sie wollte keinen einfachen Anruf, kein
knappes Verbot, keinen Streit über den Äther.
    Nein, Sandra will, dass ich persönlich erscheine und dass ich um sie
kämpfe. Sie will, dass ich gegen Baumann antrete, und sie will, dass ich das
öffentlich tue. Und das werde ich.
    Falls es nicht schon zu spät ist. Nachdem ich meinen Wagen quer über
den Bürgersteig geparkt habe, haste ich die breiten Stufen zum Empfang hoch.
Das Prado ist ein mondäner Schuppen, schon von außen protzig und knapp an der
Grenze zum Kitsch. Gerade richtig für einen großen Verlagsboss, der eine
hoffnungsvolle kleine Schriftstellerin beeindrucken will. Der ihr das Blaue vom
Himmel versprechen und sie damit ins Bett kriegen will. Als mir das bewusst
wird, beginne ich gleich wieder innerlich zu kochen.
    Ich will in den Laden stürmen, als sich mir ein großer Kerl im
dunklen Anzug in den Weg stellt.
    Â»Verzeihen Sie, haben Sie reserviert?«, fragt er und drückt mir
gleichzeitig seine Hand gegen die Brust.
    Â»Nein, habe ich nicht«, fahre ich ihn an. »Und nehmen Sie gefälligst
Ihre Pfoten weg!«
    Â»Tut mir leid«, sagt er und zieht sicherheitshalber seine Hand
zurück. »Dann kann ich Sie nicht reinlassen.«
    Für einen kurzen Moment erwäge ich, ihn einfach beiseitezustoßen,
doch dann gelingt es mir, mich zu beherrschen.
    Â»Sie müssen mich reinlassen«, sage ich mit erzwungener Ruhe. »Ich
bin Rechtsanwalt, und da drinnen befindet sich meine Verlobte und ist gerade
dabei, einem Betrüger aufzusitzen. Wenn Sie mich nicht reinlassen, dann
verklage ich Sie wegen … Behinderung der Selbstjustiz.«
    Was rede ich denn da? Behinderung der Selbstjustiz? Wäre die
Situation nicht so tragisch, müsste ich selber laut loslachen.
    Zum Glück ist das Gehirn des Mannes weniger ausgeprägt als seine
Muskeln, denn nach kurzem Zögern gibt er den Weg frei. »Aber veranstalten Sie
bloß kein Theater«, ermahnt er mich unsicher.
    Â»Natürlich nicht«, behaupte ich. »Ich sagte doch schon, ich bin
Rechtsanwalt.«
    Dann betrete ich den Hauptraum und sehe mich um. Das Lokal ist groß
und übersichtlich. Die Tische sind locker über den Raum verteilt und, soweit
ich es überblicken kann, alle besetzt. Meine Augen wandern suchend durch den
Raum, aber Sandra kann ich nirgendwo entdecken.
    Plötzlich packt mich die Enttäuschung. Ob sie schon weg sind? Und
wenn ja, hat Baumann sie rumgekriegt? Vielleicht hat Sandra ihm eine Abfuhr
erteilt, ihm gesagt, dass sie bereits in festen Händen ist. Dass sie eine
glückliche Beziehung mit jemandem führt.
    Oder ich mache mir nur etwas vor.
    Ich spüre einen heftigen Stich in meinem Herzen, und diesmal weiß
ich, dass es kein Herzanfall ist und auch keine Verspannung.
    Es ist die Erkenntnis, dass ich Sandra liebe und dass ich sie
vielleicht für immer verloren habe.
    Dann entdecke ich ihn. Er sitzt an einem Tisch weiter hinten, in
einem teuren Anzug, mit grauen Schläfen und einer kitschigen Bräune, die sein
Alter kaschieren soll. Das muss er sein, Sandra hat ihn mir beschrieben,
genauso habe ich ihn mir vorgestellt.
    Jetzt wird mir auch klar, warum er mir nicht gleich aufgefallen ist.
Er sitzt allein an dem Tisch, und ich habe hauptsächlich nach Sandra Ausschau
gehalten. Auf dem Tisch jedoch stehen zwei Gläser und
die obligate Champagnerflasche – natürlich, er will sie erst betrunken machen,
um dann sein Ziel zu erreichen.
    Als ich mich mit entschlossenen Schritten nähere, entdecke ich die
Handtasche an der Lehne des freien Stuhls. Es ist eine helle Tasche aus
cremefarbenem Leder von Gucci. Sandras Tasche. Das weiß ich so genau, weil ich
sie ihr gekauft habe, letztes Jahr zu Weihnachten.
    Das ist er
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