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Ich und er und null Verkehr

Ich und er und null Verkehr

Titel: Ich und er und null Verkehr
Autoren: Kim Schneyder
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schwerwiegende
Anschuldigung.«
    Â»Ja, und nicht nur das.« Ich fühle, wie mein Zorn wächst. »Dadurch,
dass er zu Protokoll gab, meine Position in der Kanzlei sei gefährdet, hat er
Ihnen eine gezielte Fehlinformation gegeben. Tatsache ist nämlich, dass ich
heute den wichtigsten Fall meiner Karriere mit Bravour gewonnen habe und
Fichtel und Wurzer mich beknieten, bei ihnen zu bleiben. Ich habe jedoch aus
freien Stücken gekündigt, weil ich mit einem Kollegen eine eigene Kanzlei
gründen werde. Von beruflichen Problemen kann bei mir also gar keine Rede
sein.«
    Proske mustert mich nachdenklich. Ich kann förmlich sehen, wie die
Rädchen in seinem Hirn ineinanderrasten.
    Â»Und die Aussage des Polizisten, dass Sie gesagt hätten, Sie wollten
sich demnächst auch so einen Wagen kaufen?«, versucht er es noch einmal.
    Â»Ich bitte Sie, Herr Dr. Proske«, sage ich und werde lauter. »Was
beweist das schon, wenn ich die Absicht äußere, mir einen Sportwagen zu kaufen?
Abgesehen davon ist dieser Polizist ein ehemaliger Schulkollege von mir,
deshalb wollte ich ein bisschen angeben. Halten Sie mich deswegen von mir aus
für einen Idioten, aber ein stichhaltiger Beweis sieht für mich anders aus.«
    Â»Und weshalb sind Sie in der Venusbar auf ein Zimmer hochgegangen?«
Der Mann gibt nicht auf. Ein Blick auf die Wanduhr zeigt mir, dass es bereits
nach zehn ist. Mir läuft die Zeit davon, verdammt noch mal!
    Â»Wenn Sie es genau wissen wollen: Ich habe kalt geduscht.«
    Â»Sie haben kalt geduscht?« Proske stiert mich an. »Wozu das denn?«
    Â»Um mich abzukühlen, emotional. Ich weiß, wie blöd das klingt, aber
es war so.« Meine Geduld hat jetzt ein Ende. Ich schlage mit der flachen Hand
auf den Tisch und sehe, wie er zusammenzuckt. »So, Proske, jetzt wollen wir mal
Klartext reden …«
    Â»Für Sie immer noch Dr . Proske!«, fällt er
mir ins Wort.
    Â»Von mir aus – Dr. Proske! Ich habe jetzt die Schnauze voll! Sie
haben nicht einen einzigen stichhaltigen Beweis, der eine Anklage gegen mich
rechtfertigen würde, und wenn Sie meine Angaben überprüfen, werden Sie sehen,
dass ich Ihnen die Wahrheit gesagt habe.« Er öffnet den Mund, um etwas zu
entgegnen, aber ich bringe ihn mit einer energischen Handbewegung zum
Schweigen. »Lassen Sie mich ausreden! Hören Sie, wir beide hatten schon die
eine oder andere Auseinandersetzung – bei unseren Berufen ist das auch nur
natürlich, aber bisher hatte ich immer den Eindruck, dass Sie zwar hart, aber
fair sind.« Ich atme tief aus und lasse mich in den Sessel zurückfallen. »Ich
will ehrlich zu Ihnen sein: Ich hatte heute einen verrückten Tag. Erst dachte
ich, ich würde den wichtigsten Prozess meiner Karriere verlieren, aber dann
habe ich ihn doch gewonnen. Ich dachte, ich müsste sterben, um dann zu
erfahren, dass ich kerngesund bin. Ich dachte, mein Glück sei vollkommen, um
dann zu bemerken, dass die Frau, die ich liebe, drauf und dran ist, mich zu
verlassen.« Ich lege eine Pause ein und sehe, wie es in Proskes Hirn arbeitet.
Dann beuge ich mich zu ihm vor und senke meine Stimme. »Herr Dr. Proske, ich
appelliere an Ihren Verstand und an Ihre Menschlichkeit: Lassen Sie mich gehen!
Ich habe privat ein paar Fehler begangen, die ich dringend wieder ausbügeln
muss, und mir läuft die Zeit davon!«
    Proske mustert mich schweigend, und einen schrecklichen Moment lang
befürchte ich, dass ich zu weit gegangen bin. Dann steht er plötzlich auf.
»Ganz ehrlich, Herr Dr. Becker, ich habe in meiner gesamten Laufbahn noch nie
so viel Verrücktes in so kurzer Zeit gehört. Andererseits, das Leben spielt
manchmal verrückt, und auch auf die Gefahr hin, dass ich falsch liege: Ich
glaube Ihnen. Sie können gehen. Was nicht heißt, dass wir nicht alles
nachprüfen werden«, fügt er hinzu.
    Â»Schon klar«, sage ich und verspüre unendliche Erleichterung. Ich springe
auf. »So, und jetzt brauche ich meine Sachen, mein Handy … und vor allem ein
Taxi. Oder kann mich eine Streife zu meinem Wagen bringen?«
    Â»Von mir aus. Ich organisiere das für Sie«, murmelt Proske. Dann
streckt er mir zögernd die Hand hin. »Und, Herr Dr. Becker …«
    Â»Ja?«
    Â»Für den Fall, dass Sie die Wahrheit gesagt haben, hoffe ich, dass
Sie das wieder in Ordnung bringen können …
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