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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich
Autoren: Janet Clark
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zog er das Messer über ihre Haut. Sie spürte den Schmerz, als die scharfe Klinge die Haut ritzte, fühlte das Blut ihren Hals hinunterlaufen.
    Der Schuss war ohrenbetäubend. Abrupt ließ Carlo sie los. Sara warf das Messer weit von sich. Sprang auf. Sah, wie Carlo hin und her lief, die Hände vor dem Gesicht. Sie glaubte, ihn schreien zu hören, doch sie war sich nicht sicher. Der Hall des Schusses schwang noch immer in ihrem Trommelfell und irritierte sie.
    Sie bückte sich nach der Eisenstange, hob sie hoch und schlug sie auf seinen Kopf. Er stolperte vorwärts. Sara holte aus und zog sie noch einmal durch. Er krachte auf den Betonboden. Mit einem Satz war sie bei ihm, riss seine Arme nach hinten. Den gleichen Fehler würde sie nicht zweimal machen. Sie suchte nach einem geeigneten Gegenstand, um seine Arme zu fesseln, griff nach ihrem Gürtel, erinnerte sich, dass sie den für Valeskas Druckverband verwendet hatte. Das Bild von Carlo und Valeska unten auf der Baustelle kam ihr in Sinn. Ihre Hände waren auf dem Rücken zusammengebunden gewesen. Er musste einen Strick bei sich haben. Sie durchsuchte seine Jacke und zog die Handschellen hervor.
    Sie sah das Blaulicht, bevor sie die Sirene hörte. Der Krankenwagen hielt vor der Baustelle, dicht gefolgt von einem Polizeiwagen.
    Sara suchte den Boden nach Jonas’ Handy ab. Schließlich hielt sie es in ihren zitternden Fingern. Sie wählte die 112.
    »Notrufzentrale.«
    »Bitte, wir sind hier, schicken Sie die Sanitäter in den fünften Stock.«
    »Wer spricht bitte?«
    Sara versuchte sich zusammenzureißen. »Sara Neuberg. Ein … ein Krankenwagen steht vor der Baustelle an der Friedenheimer Brücke. Eine Schwerverletzte liegt im fünften Stock des Rohbaus. Bitte schicken Sie den Arzt nach oben. Bitte! Schnell! Sie stirbt!«
    Sara blickte auf Valeska, die leblos vor ihr lag. Der Druckverband war blutgetränkt. Erst jetzt bemerkte sie die Pistole. Sie musste ihr aus der Hand gefallen sein, die Finger zeigten verkrampft nach oben. Sara hob sie auf. Eine Gaspistole. Valeska musste sie mit letzter Kraft aus ihrer Jacke gezogen und Carlo ins Gesicht geschossen haben, um sie zu retten. Sara schluchzte auf.
    »Bleiben Sie bitte in der Leitung.«
    Mit der freien Hand fühlte Sara Valeskas Puls, aber sie konnte ihn nicht mehr finden. Sie schmeckte ihre salzigen Tränen, spürte das Vibrieren ihres Körpers und weinte jetzt haltlos um die verlorene Freundin, die sterben musste, bevor sie eine werden konnte.
    »Hören Sie, Frau Neuberg«, meldete sich die Stimme aus der Notrufzentrale. »Der Arzt ist auf dem Weg. Wir haben schon nach Ihnen gesucht. Halten Sie durch!«
    Sara schluchzte wieder. »Danke.« Sie legte das Telefon auf den Boden und nahm Valeskas Hand zwischen ihre. Sie war so kalt.
    Wie durch einen Schleier nahm sie plötzlich Hektik unten auf der Baustelle wahr. Krankenwagen und Polizei fuhren über den Kies, Türen öffneten sich, Menschen sprangen heraus, liefen zum Haus, riefen sich hektische Befehle zu. Der Aufzug fuhr surrend nach unten.
    Sara starrte auf das stille Blaulicht und drückte Valeskas Hand.
    »Sara!«
    Sie spürte, wie jemand sie sanft hochzog und von Valeska wegbrachte, sah, wie zwei Männer in roten Jacken sich neben sie knieten.
    »Sara.« Eine Jacke wurde über ihre Schulter gelegt. Arme umfingen sie, drückten sie. »Sara. Ich hatte solche Angst um dich.«
    Erst jetzt bemerkte sie, dass es Michael war, der sie an sich presste und sein Gesicht in ihrem Haar versteckte. »Solche Angst.«
    Plötzlich zitterte sie am ganzen Körper. Sie hatte keine Kontrolle mehr über ihre Tränen. Sie rannen über ihre Wangen, durchnässten seinen Pullover. Sara wollte nur noch gehalten werden, getröstet, seine Geborgenheit spüren. Wissen, dass der Albtraum zu Ende war.
    »Valeska hatte nichts damit zu tun«, flüsterte sie und wischte die Tränen mit ihrem Ärmel ab. »Es war Carlo. Es war immer Carlo. Er hat die Schlange besorgt. Er hat mich angegriffen. Er wollte mich umbringen.«
    »Es ist vorbei.« Er streichelte über ihr Haar.
    Plötzlich hielt er inne.
    »Du blutest am Hals! Und … du bist ja barfuß!« Sofort schlüpfte er aus seinen Schuhen und zog sie ihr an. Sie ließ es willenlos geschehen. Längst spürte sie die Kälte in den steifen Füßen nicht mehr. Sie strich über die Wunde an ihrem Hals und zuckte zusammen. Ein brennender Schmerz durchfuhr sie.
    »Hast du uns gefunden?«
    Er nickte. »Als ich wieder zu mir kam, waren Sanitäter bei
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