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Friesisch Roulette

Friesisch Roulette

Titel: Friesisch Roulette
Autoren: Marvin Entholt
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    Detektiv zu werden war so ziemlich das Letzte, was sich Johann Renken je vorgestellt hatte. Aber nun stand er da, eine Leiche vor seinen Füßen, in der Hand eine Waffe, die vermutlich die Tatwaffe war und auf der nun nachweislich seine Fingerabdrücke prangten.
    Und so musste er sich jetzt zwangsläufig ein paar Gedanken darüber machen, wie er in diese Situation geraten war. Er konnte sich nicht einmal erklären, warum er in der Scheune aufgewacht war – und weshalb er überhaupt dort gelegen hatte. Waren es die Biere, die ihn gefällt hatten? Er hatte nicht die leiseste Idee, was geschehen war. Vor allem aber: Woher kam die Leiche? Und: Wo sollte sie jetzt hin?
    Alles sah danach aus, dass er sie zu einer solchen gemacht hatte. Würde ihm auch nur irgendjemand seine Unschuldsbeteuerungen abnehmen? Bei seiner Vorgeschichte? Wohl eher nicht. Er war ja selbst nicht sicher, ob er nicht etwas mit dem Tod des Mannes zu tun hatte.
    Es war ein später Samstagabend im September. Johanns Atem wurde langsam ruhiger. Ob vor Erschöpfung oder Erleichterung, egal, er warf die letzte Schaufel Erde auf den Haufen, der die zuvor von ihm ausgehobene Grube in seiner Scheune wieder füllte.
    Noch einmal leuchtete er mit der Taschenlampe den Boden ab, ob ihm auch wirklich kein Beweisstück durch die Lappen gegangen war.
    Er strich sich den Schweiß aus der Stirn, tätschelte wie jeden Abend die selbstzufrieden grunzende Sau Elfi und ging hinüber ins Haus. Für die wenigen Kopfsteinpflastermeter über den Hof brauchte er heute länger als sonst.
    Johann nahm eine Flasche »Landbier dunkel« aus dem Kühlschrank, schob auf dem Küchentisch mehrere Ausgaben der »Ostfriesischen Nachrichten« und ein begonnenes Kreuzworträtsel beiseite und setzte sich. Er ploppte mit beiden Daumen die Flasche auf, nahm einen kräftigen Schluck, stellte das Bier vor sich ab und schaute geradeaus. So wie jeden Abend in den letzten acht Jahren. Nur dass er auf dem Hof heute nicht mehr allein war mit Elfi. Da lag jetzt dieser Tote in seiner Scheune, von dem er nicht einmal wusste, wer er war.
    Johanns Schädel schmerzte. Er dröhnte mehr als nach einem ganzen Kasten Bier nebst Schnapsbegleitung. Danach hatte er eigentlich nie Kopfschmerzen, und gestern hatte es nicht mal Schnaps gegeben. Aber heute fühlte es sich an, als hätte ihm jemand mit einer Schaufel eins übergezogen.
    Ob er so schlimm aussah, wie er sich fühlte? Johann machte sich in letzter Zeit Gedanken, ob die in beachtlicher Zahl konsumierten Landbiere nicht nur in den grauen Zellen Unheil anrichten, sondern auch in seinem Gesicht Spuren hinterlassen könnten. Derlei Familientradition wollte er nicht unbedingt pflegen.
    Er wankte bedächtig ins Bad und blickte über Dosen mit Rasierschaum und ein angestaubtes »Old Spice«-Rasierwasser hinweg in den Spiegel.
    Johann erschrak, denn auf seiner von Haarwuchs schon lange unbehelligten Stirn klebte Blut. Angetrocknetes Blut, das ihm aus der Haarinsel auf seinem Schädel in die Stirn gelaufen sein musste. Johann tastete vorsichtig sein Haupt ab und fühlte Schorf am Hinterkopf. Aber warum? Woher rührte die Wunde?
    Fluchend schüttelte Johann in der schummrigen Diele die Filzpantoffeln ab und stopfte seine Füße in die Gummihalbschuhe, die er bei gutem Wetter bei der Arbeit auf dem Hof trug. Bei Schlechtwetter reichte das Gummi bis zum Knie.
    Mit der Taschenlampe in der Hand schlappte er noch mal zur Scheune. Vielleicht kam ihm dort eine Idee, wie er sich seine Kopfwunde eingehandelt haben könnte.
    Er schaltete das viel zu schwache Deckenlicht an und leuchtete mit der Taschenlampe in der Scheune umher. Elfi erwachte von dem späten Besuch und rammte grunzend die Holzbohlen, die ihren Verschlag einrahmten.
    Der Lichtstrahl der Taschenlampe fiel auf die Grube, die Johann vorhin zugeschüttet hatte. Mit dem Fuß verteilte er etwas Stroh darüber.
    Der Lichtkegel seiner Lampe irrlichterte durch die Scheune wie die weithin sichtbaren Himmelsstrahler der Großraumdisco im übernächsten Ort, die Johann am Wochenende vom Schlafzimmerfenster aus sehen konnte, wenn die Wolken niedrig genug hingen.
    Während Johanns Gedanken abschweiften zum »Sunrise« und zu seinen Überlegungen, wie es dadrinnen wohl zugehen mochte, wie die Frauen und Mädchen angezogen wären und ob es leicht wäre, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, obwohl
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