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Friesisch Roulette

Friesisch Roulette

Titel: Friesisch Roulette
Autoren: Marvin Entholt
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das Thema dann vom Tisch.
    Enno beobachtete seine Herde. Der Bock hatte Hörner, die ihn an sein Sternzeichen erinnerten.
    Nur eine Perspektive sah Enno ganz klar schwinden: Eigentlich hatte er beim Kauf der kleinen Herde ja geplant, sein dürftiges Einkommen aus der Landmaschinenreparatur aufzubessern, indem er hin und wieder ein Schaf dem Schlachter verkaufen würde. Aber inzwischen trugen alle Namen, und Enno war längst klar, dass er das nie übers Herz bringen würde.
    Die Tiere würden bei guter Fürsorge wohl mit ihm gemeinsam alt werden, und eines Tages würde sein Hof ein Schafaltersheim sein mit einem betagten Pfleger.
    Enno richtete das Objektiv des Nachtsichtgerätes aus dem Küchenfenster, dorthin, wo jetzt gerade die Schafe grasten, und wartete auf die Dämmerung.

6
    Es war ein ohrenbetäubender Knall.
    Der achtjährige Malte Broers schrie kurz auf und brach in Tränen aus, sein zwei Jahre älterer Bruder Heiner saß wie versteinert da.
    Ihre Mutter stürmte die Treppe hinauf und riss die Tür zum Kinderzimmer auf, die vor wenigen Sekunden von einer Kugel vom Kaliber .45 durchschlagen worden war.
    Zitternd saß Heiner da, in der Hand einen Revolver. Auf dem Bett neben Heiner lag das schmuddelige Küchentuch, in das die Waffe eingewickelt gewesen war.
    Die Jungs hatten sie bei Niedrigwasser im Schilf gefunden. Malte hatte das schmutzige Bündel zuerst entdeckt. Heiner hatte daraufhin den jüngeren Bruder in den Matsch kommandiert, um den Fund zu bergen.
    Als sie das Tuch öffneten und den Revolver sahen, durchfuhr beide Jungs ein Schauer, in dem sich Abenteuerlust und Angst mischten.
    Sprachlos begutachteten sie das kostbare Fundstück, bevor Heiner es schnell wieder in das Tuch wickelte und in seinen Hosenbund zwängte. Viel zu gefährlich schien es ihnen, offen mit der Waffe zu hantieren. Sie beschlossen, sie mitzunehmen und zu Hause näher zu untersuchen.
    Â»Vielleicht ist jemand damit umgebracht worden«, mutmaßte Malte.
    Â»Blödsinn«, antwortete Heiner.
    Â»Und wieso liegt sie dann im Schilf?«
    Darauf wusste Heiner auch keine gute Antwort.
    Â»Vielleicht hat sie jemand da versteckt und will sie sich später wiederholen«, spekulierte Malte weiter.
    Â»Und vielleicht hat der uns jetzt beobachtet und weiß, dass wir die haben und –«
    Â»Blödsinn. Und Schnauze jetzt. Kein Wort jetzt mehr über das Ding«, fuhr Heiner seinen kleinen Bruder an.
    Der trottete mit matschigen Schuhen hinter seinem Bruder her, während in seinem Kopf unrasierte Schurken das Schilf auf der Suche nach dem Revolver durchstöberten.

7
    Nicolaj fühlte sich, als wäre er schon Tage unterwegs. Die Füße wurden schwer, und er stieß Verwünschungen in seiner Muttersprache aus, die in keinem Wörterbuch standen. Dieser verfluchte sibirische Fischkopf, dieser dämliche. War das nötig? Dass er, der künftige Pate, jetzt durch irgendeine wildfremde Einöde stolperte, über morastige Wiesen und rostige Stacheldrahtzäune?
    Diese Abkürzungen waren auch keine Lösung, am Ende stand er nach endlosem Slalom um Kuhfladen vor irgendeinem elenden Fleet und kam nicht weiter. Der Sprung über die Gräben war schon einmal schiefgegangen, davon kündete die Kniepartie seines nicht mehr ganz patenhaften Anzugs.
    Nicolaj konstatierte resigniert die Endlichkeit seiner Sammlung russischer Schimpfworte, als sein Weg wieder vor einem Graben endete.
    Er war auf der Suche nach seinem Kompagnon, ohne die leiseste Ahnung, wo er anfangen sollte zu suchen.
    Jetzt hatte der sich schon sechs Tage nicht mehr gemeldet, und Nicolaj war zwar sicher, ein knallharter Boss sein zu können, aber er war eben auch ein fürsorglicher Mensch, der sich um seinen sibirischen Fischkopf sorgte.
    Vladimir Iljitsch Putenkow, genannt Putin, schien ihm ein bisschen zu weich für das Geschäft zu sein, die Befürchtung hatte er von Anfang an gehabt, aber in einer Art Schicksalsgemeinschaft hatten sie zusammengefunden, um sich leise aus der Szene der Berliner Russenmafia zu verabschieden.
    Putin war ein noch größeres Landei als er selbst, der stammte aus einer Gegend, in die Forscher in den knappen acht Wochen Sommer mit Helikoptern und riesigen Schlauchbooten gereist kamen, um Mammutknochen, die aus dem ewigen Eis des Permafrostbodens auftauten, zu erforschen und zu katalogisieren.
    Putin war nicht blöd. Als einer
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