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Friesisch Roulette

Friesisch Roulette

Titel: Friesisch Roulette
Autoren: Marvin Entholt
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man über etwas, hatte man das Gefühl, dass es überall juckte, die Leber zwackte, und war da nicht schon länger dieser seltsame Ausschlag?
    Enno blieb beim Kapitel »Brunst und Deckakt« hängen. »Da mit zunehmender Belastung des Bockes die Ejakulatmenge und die Befruchtungsfähigkeit abnehmen, sollten nur 2 bis 4   Deckakte pro Tag zugelassen werden.« Donnerwetter! »Mit zunehmendem Alter des Bockes nimmt der Geschlechtstrieb ab.« Hm. Unwillkürlich drängten sich Enno Parallelen auf. Betrübt ließ er das Buch sinken. Aber war es eben nicht einfach der Lauf der Natur und geradezu ein Privileg des alternden Bocks, in diese natürliche Phase der Ruhe einzutreten? Der äußeren wie inneren Gelassenheit?
    Halbwegs besänftigt lehnte Enno sich zurück. Er legte den Kopf in den Nacken, seine Augenlider flatterten.
    Nach einer Weile folgte der Kopf der Schwerkraft und sackte nach vorn. Der Ruck ließ Enno die Augen noch einmal kurz öffnen, dann flackerten sie wieder zu. Ennos Kinnmuskulatur entspannte sich, sein Gesicht bekam einen etwas dämlichen Ausdruck.
    Verschwommen sah Enno ein Kind, es trug das gleiche Karohemd wie er selbst bei seiner Einschulung und kurze Hosen. Es hüpfte ausgelassen zwischen Schafen umher und sprach: »Ich melk dich, Schäflein auf der Weiden!«
    Doch das Schäflein sprach: »Ich trete dich, dass du ewig denkst an mich.«
    Letzteres geschah in einer Art Großaufnahme, und das Schaf schaute recht übellaunig drein.
    Mit einem Schnarcher, der mehr ein Grunzer war, schreckte Enno hoch und versuchte, diesen Traum abzuschütteln, der sich womöglich noch in eine ganz finstere Richtung entwickeln könnte. Auf gar keinen Fall wollte er schlechte Erlebnisse mit Schafen haben, noch nicht einmal im Traum.
    Geschweige denn in Wirklichkeit.

11
    Johann erhob sich ächzend von einem alten Melkschemel, auf dem schon lange niemand mehr gemolken hatte. Er hatte sich wortkarg mit seiner Sau Elfi über die Ereignisse des Tages ausgetauscht, wobei Elfi es fertigbrachte, noch wortkarger als Johann zu sein.
    Er hielt sich am hölzernen Verschlag des Schweinekobens fest und betrachtete das Tier. Sein Daumen spielte mit einer kleinen Schramme im Holz, die neben all den anderen Kerben, Furchen und Rissen nicht weiter auffiel. Aber sie hatte eine Geschichte.
    Johann hatte immer Musiker werden wollen, aber keine Ahnung gehabt, wie er das hätte anstellen sollen. Oft war er mit seinem »Hercules«-Fahrrad zum »Musikladen« nach Logabirum gefahren und war durch den Laden geschlendert.
    Der Verkäufer mit der immer gleichen Fellweste und den ebenso schütteren wie langen Haaren kannte ihn mittlerweile schon und ahnte wohl, dass Johann vermutlich nie etwas kaufen würde. Trotzdem entbot ihm der Mann jedes Mal ein »Moin« der aufmunternden Sorte. Vielleicht würde er den Jungen ja doch noch auf den Pfad der musikalischen Selbstverwirklichung führen können.
    Nicht, dass es an Johann gelegen hätte, selbst das Geld hätte er irgendwie zusammenkratzen können, aber seine Eltern hielten das alles für Zeit- und Geldverschwendung. Der Letzte im Dorf, der ein Instrument gespielt hatte, war irgendwann hängend an einem Dachbalken gefunden worden. Musik war eben etwas für Melancholiker oder machte die Leute sogar erst dazu.
    Jedes Mal strich Johann um zwei Instrumente herum, die es ihm angetan hatten. Und immer bevor er den Laden betrat, hoffte er inständig, dass sie noch da sein würden. Es waren zwei Ibanez-Gitarren, baugleich, es gab sie in Schwarz und in Natur. Beide waren gebraucht und heruntergesetzt.
    Ibanez, das klang nach ungefähr so weit weg, wie er wollte. Es klang nach Spanien oder sogar Südamerika, Sonne, Exotik …
    Unter Johanns gitarrenklangbegleiteten Phantasien wurde langsam der Regler mit der Stimme des Dünnhaarigen hochgezogen.
    Â»â€¦Â werden seit den dreißiger Jahren in Japan gebaut«, riss der ihn aus seinen Träumen.
    Japaner und Ibanez? Wie ging das denn zusammen?
    Der Fellbewestete, der Johanns Entgeisterung spürte, lenkte sofort um. Er führte ins Feld, dass George Benson einer der großen Anhänger der Instrumente sei.
    Da war Johann wieder ganz dabei. George Benson! Der so sanft und funky zugleich spielen konnte! Er hatte ihn in Michael Nauras » NDR Jazzclub« gehört, der nachts aus dem kleinen Transistorradio
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