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Friesisch Roulette

Friesisch Roulette

Titel: Friesisch Roulette
Autoren: Marvin Entholt
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flinken Sätzen im Garten verschwand.
    Es war finster. Ein feiner Nebel dämpfte das Wärme vorgaukelnde Gelb
der Straßenlaterne gegenüber, und die wenigen vorbeifahrenden Autos blendeten
nur. Vor dem Nachbarhaus spürte sie salzblanken Stein unter den Füßen und
schritt schneller aus – die Freiheit währte nur kurz, denn gleich darauf
trat sie wiederum in knirschenden Schnee und verlangsamte ihr Tempo. Sobald ein
Fuß versank, verwandelte sich der Untergrund in tückischen Matsch, wahrlich ein
Kunststück, auf den Beinen zu bleiben, und sie strauchelte mehrfach. Hörte sie
Schritte hinter sich? Egal, und gewiss nicht ungewöhnlich für die Uhrzeit. Sie
bog um die Ecke, und der Niedernhausener Busbahnhof kam in Sicht. Ein Fahrzeug
mit eingeschaltetem Motor stand neben dem Bahnhofsgebäude und stieß weiße
Abgaswolken aus, die den gelblichen Nebel zu überwältigen suchten, und sie
verharrte, um einzuschätzen, ob sich die Scheinwerfer auf sie zu bewegten oder
sie gefahrlos die Straße überqueren konnte. Das gleißende Licht erlosch, und
die Dunkelheit schien ihre Sinne zu schärfen. Schritte, ja, ganz sicher jetzt.
Sie stapfte quer über die Straße. Ein Kleinbus bretterte Richtung Bahnhof und
schnitt die Kurve. In der Eile, ihm aus dem Weg zu kommen, übersah sie im
brackigen Schmelzwasser am Straßenrand den Bordstein und stürzte.
    Â»Scheiße!«, fluchte sie, rappelte sich mühsam auf und suchte nach
einem Taschentuch. Vergeblich, die Packung musste im Rucksack sein. Sie
vollführte eine halbe Drehung, um sich unter seinem Gewicht herauszuwinden, und
vergaß ihre schmutzigen Hände. Jemand stand an der Ecke. Sie konnte nicht
erkennen, wer es war, eine Schirmmütze bedeckte das Gesicht, aber etwas in
seiner Haltung erschreckte sie zutiefst. Es gab keine unverfängliche Erklärung
mehr, ein normaler Mensch würde bei diesem Wetter nicht dort herumstehen,
scheinbar lässig gegen einen Baum gelehnt, mit dessen Stamm seine massig
wirkende Silhouette fast verschmolz. Ein normaler Mensch, der lediglich auf
jemanden wartete, würde sich nicht im Schatten herumdrücken, wo ihn niemand
entdecken konnte. Nein, er schien in ihre Richtung zu starren, die Hände in den
Taschen vergraben, als hätte er alle Zeit der Welt.
    Sie hatte keine Wahl, sie konnte nicht zurück, vorbei an ihm. Die
Straße war menschenleer, das Fahrzeug oben fuhr gerade davon. Sie drehte sich
um und hastete den Berg hinan. Auf dem Bahnsteig wäre sie sicher, gewiss warteten
andere Reisende dort, wenn sie nur die grässliche Unterführung schon durchquert
hätte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass der Typ ihr jetzt nachstellte,
obwohl sie es abgelehnt hatte, mit ihm auszugehen. Oder weil? Nein, so etwas
kam in Krimis vor, nicht im richtigen Leben. Niemand würde bei dem Scheißwetter
an der Straßenecke jemandem auflauern, nicht einmal ein Psychopath. Nein,
bestimmt gab es eine völlig harmlose Erklärung, wenn ihr nur eine einfallen
würde. Jetzt hörte sie wieder die Schritte. Näher als zuvor. Sie begann zu
rennen, kam kaum voran, weil ihre Füße keinen Halt fanden, ihr Atem ging
stoßweise, und das Keuchen dröhnte ihr laut in den Ohren. Nicht mehr weit. Sie
blickte hinter sich. Zu weit. Panisch stürzte sie die Stufen zur Bahnhofsgaststätte
hinauf.
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