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Friesisch Roulette

Friesisch Roulette

Titel: Friesisch Roulette
Autoren: Marvin Entholt
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den Reigen der Weiblichkeit.
    Beckmann war alles hundert Mal durchgegangen, und jetzt erst dämmerte ihm, dass sie mit einem im Dorf noch nie gesprochen hatten, weil der nie anzutreffen gewesen war. Vielleicht steckte der ja hinter allem.
    Dass ihm das nicht früher eingefallen war! Natürlich! Das war der Schlüssel zu allem! Beckmann wurde wieder munter und setzte sich auf.
    Was auch immer dieser Mensch getan hatte, er hatte jedenfalls etwas getan und war danach getürmt, ganz klarer Fall.
    Beckmann wusste nicht, ob er ärgerlich auf sich sein sollte, dass ihm der Gedanke erst jetzt gekommen war, oder ob er stolz sein sollte, dass er sich überhaupt eingestellt hatte.
    Er entschied sich für Stolz. Er griff zur Fernbedienung und schaltete um. Männer mit nacktem Oberkörper lieferten sich ein Wettrennen mit riesigen Schaufelbaggern.
    Morgen würde er diesen Focko Poppen zur Fahndung ausschreiben lassen.

50
    Langsam kam Johann die Treppe herunter. Sein Kopf wog mindestens fünfzig Kilo, nur mit Mühe ließ sich der Schädel auf dem Hals balancieren. In der Küche erblickte Johann den Grund für das enorme Gewicht: Nicht auf einen Blick zu zählende Bierflaschen und drei weitgehend geleerte Flaschen Doppelkorn standen dort, und auf dem abgewetzten Sofa lag mit offenem Mund und schwer atmend eine schlafende Gestalt. Erst nach kurzem Grübeln identifizierte Johann sie als den neuen Bekannten vom nächtlichen Lagerfeuer.
    Johann schaute sich um. Enno war anscheinend verschwunden. Unvorstellbar, wie der es bis nach Hause geschafft haben sollte.
    Johann setzte Wasser auf, schaufelte doppelt so viel Nescafé in seinen Becher wie gewöhnlich, wartete ungeduldig auf den Siedepunkt, goss den Kaffee auf, ohne irgendein Bizzeln wahrzunehmen, griff den Becher und schlich durch die Diele auf den Hof. Frische Luft, das würde jetzt guttun.
    Er ließ sich auf die Bank vor der Tür fallen, sah aus dem Augenwinkel, dass Post in seinem Briefkasten steckte, fand das gleichgültig und beschloss dann doch, nachzusehen. Er bekam nicht oft Post.
    Johann zog den nicht vollständig im Schlitz verschwundenen Brief aus dem verrosteten Kasten, setzte sich wieder, ritzte den Umschlag mit dem kleinen Finger auf, faltete das gedruckte Schreiben auf und begann zu lesen.
    Im selben Moment hielt Enno in seiner Küche ein wortgleiches Schreiben in der Hand, ebenso wie Heinrich Siedenbiedel, Wilmine Ahlers und Harm Busboom.
    Alle im Dorf hatten diesen Brief bekommen.
    Es war viel Text, und Johann überflog ihn, um schneller zu erfassen, worum es darin ging.
    Â»â€¦Â anliegend erhalten Sie von uns eine Durchschrift des Antrags des Projektträgers, zu dem Sie sich schriftlich äußern können. Bitte teilen Sie der Enteignungsbehörde auch mit, ob Miet- oder Pachtverhältnisse für das betroffene Grundstück bestehen …«
    Â»Meta …«, rief Heinrich Siedenbiedel seine Frau.
    Wilmine Ahlers war schon mit dem Brief in der Hand auf dem Weg zum Laden.
    Enno stützte den Kopf in die Hände.
    Johann las weiter.
    Â»Ãœber die Größe des gegebenenfalls zu enteignenden Grundes wird nach Abschluss der Probebohrungen befunden. Im Anschluss an die erfolgten behördlichen Genehmigungen teuft das Konsortium die Bohrung Merschmoor ab.
    Die Bohrung soll der weiteren Erschließung und Entwicklung des Erdgasfeldes Merschmoor sowie der Überprüfung des Erschließungskonzeptes dienen. Der obertägige Ansatzpunkt einer Bohrung wird einerseits durch die geologischen Strukturen und andererseits durch die obertägigen Gegebenheiten – zum Beispiel die Nähe zu Ortschaften und Verkehrswegen sowie die Berührung ökologischer Schutzgebiete – bestimmt. Wenn vor diesem Hintergrund ein senkrechtes Abteufen nicht möglich ist, kann der anvisierte Zielpunkt im Untergrund mit einer untertägig abgelenkten Bohrung angesteuert werden.«
    Johann verstand nicht alles, das lag nicht nur an Bier und Schnaps vom Abend. Aber er begriff, dass der Bohrturm aus dem Prospekt mit Dünen und Kühen keine düstere Drohung bleiben würde.
    Er ließ den Brief sinken und schaute vor sich hin, so wie im selben Moment die meisten anderen im Dorf.
    Mensch, Focko.

Beate Sommer
    SPUR NACH OSTFRIESLAND
    Küsten Krimi
    ISBN 978-3-86358-158-9
    Â»Mit lockerer Formulierung und feinem Gespür für den Spannungsaufbau gelingt es Beate Sommer die
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