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Unbescholten: Thriller (German Edition)

Unbescholten: Thriller (German Edition)

Titel: Unbescholten: Thriller (German Edition)
Autoren: Alexander Söderberg
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Sie sah nicht aus wie eine Krankenschwester. Das behaupteten jedenfalls viele, und sie wusste nie, ob das ein Kompliment oder eine Beleidigung war. Sie hatte langes dunkles Haar und grüne Augen, die immer aussahen, als würde sie gleich lachen.
    Die Treppe knarzte unter ihren Füßen. Das Haus, ein kleines gelbes Holzhaus von 1911 mit Sprossenfenstern, ausgetretenen Parkettböden und einem Garten, der etwas größer hätte sein können, war ihr Platz auf dieser Erde. Das hatte sie schon gewusst, als sie es zum ersten Mal sah.
    An diesem windstillen Maiabend stand das Küchenfenster offen, und der Duft, der zu ihr hereindrang, erinnerte mehr an Sommer als an Frühling. Eigentlich fing der Sommer erst in ein paar Wochen an, aber in diesem Jahr war es früh warm geworden. Nun lag die Hitze schwer und still über allen Dingen. Sophie war dankbar dafür, sie brauchte Wärme und genoss es, Fenster und Türen offen lassen zu können.
    In der Ferne war ein Moped zu hören, eine Drossel irgendwo im Garten.
    Sophie nahm Geschirr aus dem Schrank und deckte den Tisch für zwei, mit den besten Tellern, dem feinsten Besteck und den schönsten Gläsern, die sie hatte. Sie wollte heute den Alltag vergessen, und es war ihr egal, dass sie allein essen würde. Albert aß, wenn er hungrig war, was selten mit den regelmäßigen Mahlzeiten zusammenfiel. Sie hörte ihn auf der Treppe – schnelle Sportschuhe auf altem Eichenholz, die Tritte ein bisschen zu schwer und zu hart. Sie lächelte ihm zu, als er in die Küche trat. Er lachte, riss die Tür des Kühlschranks auf, blieb lange davor stehen und starrte hinein.
    »Mach den Kühlschrank zu, Albert.«
    Sophie aß und blätterte in der Zeitung. Dann blickte sie auf und sagte den gleichen Satz noch einmal, strenger.
    »Ich kann mich nicht bewegen …«, sagte Albert theatralisch.
    Sie musste lachen. Er hatte Humor. Das machte sie sogar ein bisschen stolz.
    »Was hast du heute getrieben?«, fragte sie.
    Sie sah, dass er selbst lachen musste. Das kannte sie gut an ihm, er fand seine eigenen Scherze immer lustig.
    Albert nahm eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank, warf die Tür zu und setzte sich schwungvoll auf die Arbeitsplatte. Die Kohlensäure sprudelte, als er die Flasche öffnete.
    »Die sind alle so gestört«, sagte er und trank einen Schluck. Albert erzählte von seinem Schultag. Sie hörte amüsiert zu, wie er sich über Lehrer und Mitschüler lustig machte, und sah, dass er es genoss, sie zu unterhalten. Und dann hatte er plötzlich genug erzählt. Sophie wusste nie, wann das passierte, er hörte einfach auf zu reden, als würden ihn seine eigenen Witze plötzlich langweilen. Er verschwand im Flur. Einen Moment herrschte Stille, vielleicht zog er sich andere Schuhe an.
    »Du schuldest mir einen Tausender«, sagte er vom Flur her.
    »Warum?«
    »Die Putze war heute da.«
    »Putze sagt man nicht.«
    Sophie hörte einen Reißverschluss.
    »Was sagt man dann?«
    Ihr fiel nichts ein. Albert war schon in der Tür. »Küsschen, Mama«, sagte er, und seine Stimme klang plötzlich weich. Die Tür fiel ins Schloss, Sophie hörte seine Schritte auf dem Kiesweg vor dem offenen Fenster.
    »Ruf an, wenn du später kommst«, rief sie ihm hinterher.
    Sophie tat, was sie immer tat. Sie deckte ab, räumte auf, sah fern und telefonierte mit einer Freundin. Dann legte sie sich hin und versuchte das Buch auf dem Nachttisch zu Ende zu lesen. Doch es langweilte sie, und Sophie wunderte sich, was sie je daran gefunden hatte. Sie schlug das Buch zu und löschte das Licht.
    Um Viertel nach sechs wachte sie auf. Sie duschte und wischte den Badspiegel ab, auf dem Wörter zu sehen waren, wenn er beschlug: Albert, AIK und eine Reihe anderer unleserlicher Buchstaben, die er mit dem Zeigefinger schrieb, wenn er sich die Zähne putzte. Sie hatte ihn gebeten, damit aufzuhören, aber das schien ihn nicht zu kümmern, und irgendwie mochte sie das inzwischen auch.
    Sie zog sich an, nahm im Stehen ein leichtes Frühstück zu sich und las dabei die erste Seite des Expressen . Sie rief dreimal zu Albert hinauf, dass er aufstehen müsse.
    Eine Viertelstunde später saß sie auf ihrem Fahrrad und fuhr in die Klinik nach Danderyd, in der sie angestellt war.
    ––––––––
    Sie nannten ihn Jeans und glaubten tatsächlich, dass er so hieße. Lachend hatten sie auf ihre Hosen gezeigt. »Jeans!«
    Eigentlich hieß er Jens, und er saß zusammen mit drei Russen an einem Tisch, mitten im Dschungel von
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