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Ausziehen!

Ausziehen!

Titel: Ausziehen!
Autoren: Lois Greimann
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    Manche Leute haben eine gewisse Bauernschläue, andere lesen schlaue Bücher, und wieder andere sind einfach nur dumm wie Brot.
    Chrissy McMullen über ihren Freund, den sie auf dem Rücksitz ihres Mazdas in flagranti mit einer Tambourmajorette erwischte
     
     
    M r. Howard Lepinski war ein intelligenter Mann. Er war wohl erzogen und wusste sich gut und klar auszudrücken. Leider fehlten ihm mindestens zwei Tassen im Schrank.
    »Was sagen Sie dazu?«, fragte er und starrte mich durch seine dicken Brillengläser an. Mr. Howard Lepinski war ein kleiner Mann mit einem Bart und dem unstillbaren Bedürfnis, jede Entscheidung, die er treffen musste, bis ins allerkleinste Detail zu diskutieren.
    Ich blickte ihm in die Augen. Dr. Candon, mein Psychologieprofessor, hatte einmal gesagt, er könne gar nicht genug betonen, wie wichtig es sei, den Patienten direkt anzusehen. Es verleihe ihm, ich möchte hier zitieren, »… die beruhigende Bestätigung, dass er die ungeteilte Aufmerksamkeit des Therapeuten hat, ganz ähnlich der Mutter, die ihr Neugeborenes stillt«. Vielleicht sollte ich die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass Dr. Candon selbst ein paar Probleme haben könnte.
    »Ms. McMullen?«
    »Tut mir leid, Mr. Lepinski«, antwortete ich in meinem fürsorglichen Tonfall, den ich lange eingeübt hatte. Dies war das einzige Zugeständnis, zu dem ich im Hinblick auf das mütterliche Stillszenario bereit war. »Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich Ihre Frage richtig verstanden habe.« In Wahrheit ließ meine Aufmerksamkeit ein klitzekleines bisschen nach, aber schließlich war es auch schon fast sieben Uhr abends, und ich hatte seit dem Mittagessen, bei dem ich nur einen Becher Kirschjoghurt und eine vertrocknete Apfelsine gegessen hatte, nichts mehr zu mir genommen. Und wenn wir mal ganz ehrlich sind, dann kann ich das nicht wirklich essen nennen. Es war eher so was wie eine Vorsichtsmaßnahme, die ich ergriffen hatte, um meinen Mund davor zu bewahren, vor dem Abendessen Selbstmord zu begehen. Auf der anderen Seite war da die Speckrolle, die meine Taille umgab, seitdem ich - wieder mal - mit dem Rauchen aufgehört hatte, und die mittlerweile zu einem ziemlichen Problem geworden war: Wie ein weicher, labbriger Weißbrotteig (könnte ich wenigstens sagen: wie ein festes Vollkornbrot) drohte sie über den Hosenbund zu quellen.
    In mancherlei Hinsicht war das Leben als Cocktail-Kellnerin schon leichter gewesen. Sicher, Drinks an die betrunkene Bevölkerung von Schaumburg auszuteilen, war Gift für meine Füße gewesen, und die unsittlichen Anträge, die ich erhalten hatte, waren oft von Rülpsern gewaltigen Kalibers unterbrochen gewesen, aber immerhin hatte ich in Chicago Anträge bekommen. Die Männer in L.A. schienen von einem ganz anderen Schlag zu sein. Worauf ich natürlich gehofft hatte, aber dennoch …
    »Die Sandwiches«, wiederholte Mr. Lepinski. Ich merkte, dass ihm einige Schweißperlen auf der Stirn standen. »Soll ich Rauchfleisch oder Schinken zur Arbeit mitnehmen?«
    Mit der gebotenen Ernsthaftigkeit dachte ich über sein Sandwich-Dilemma nach, befürchtete aber, dass mein rumorender Magen meinen scharfsinnigen Gesichtsausdruck völlig ruinierte. »Vielleicht«, antwortete ich nachdenklich und gab mein Bestes, um die Geräusche des drohenden Hungertods zu übertönen, »ist das eigentliche Problem nicht, was Sie zu Mittag essen sollen, sondern warum dies so eine große Bedeutung für Sie hat.«
    »Wie bitte?« Sein Schnurrbart zuckte wie die Barthaare eines Hamsters, und er sah mich verwundert an, als hätte ich ihn gerade aus seinem Laufrad gezerrt.
    »Ich meine …« Ich spreizte die Finger beider Hände, so dass sie sich nur noch an den Spitzen berührten. Irgendwann habe ich mal gesehen, dass Kelsey Grammer das bei Frasier so gemacht hat und fand, dass es ziemlich klasse aussah. Klasse war gut. Ich dagegen bedauerte den weniger erstklassigen Kirschfleck auf meiner Seidenbluse. Die dunkelbraune Farbe passte optisch gut zu meinen frisch getönten Haaren. Also die Bluse, nicht der Fleck. Elaine, meine Teilzeitsekretärin und Freundin in Vollzeit, hatte vorgeschlagen, mit Sprudelwasser an den Fleck heranzugehen, aber gerade schoss mir die Frage durch den Kopf, ob ich das Kirschzeug nicht auch einfach aus dem Stoff herauslutschen könnte, bis ich auf etwas Nahrhafteres stieß, das mich bei Kräften halten würde. »Vielleicht sollten Sie mal darüber nachdenken, warum Sie von dem Gedanken an Sandwiches so
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