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Friesisch Roulette

Friesisch Roulette

Titel: Friesisch Roulette
Autoren: Marvin Entholt
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ab, legte sein Rad hinter dem Auto auf den Sandweg und lugte in das Innere des Wagens. Es gab nicht viel zu sehen, eine alte Zeitung auf dem Rücksitz, die schon ziemlich ausgeblichen war, am Innenspiegel baumelte ein Plastikblumenstrauß.
    Das musste das Auto des Vermissten sein, nach dem der Leichtmatrose von der Kripo gefragt hatte. Johann versuchte, ob sich die Türen öffnen ließen, aber sie waren verschlossen. Seltsam, wer stellte seinen Wagen hier ab? Das Wetter lud schon seit Längerem nicht gerade zu Spaziergängen ein.
    Johann umrundete den Wagen einmal, ohne etwas Auffälliges zu entdecken. Er bückte sich, um sein Fahrrad aufzuheben, als sein Blick auf die Typenbezeichnung am Heck des Wagens fiel. »1602« stand da. Johann stockte.
    Das war doch die Zahl auf dem Zettel aus der Tasche des Toten.

5
    Enno Osmers war gerade zu seinem Mittagsschläfchen eingenickt, als die Türklingel ihn aufschreckte. Enno brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass er gar nicht gemeinsam mit freundlichen Kamerunschafen, die allesamt in gelbes Ölzeug gekleidet waren, auf Segeltörn war, sondern mit unangenehm abgeknicktem Nacken auf seinem abgewetzten Sofa in der Küche lag.
    Er rappelte sich auf, ging auf Socken Richtung Tür und sah durch das Küchenfenster den gelben Lieferwagen der Paketpost vor dem Haus stehen.
    Enno beschleunigte seinen Schritt, als es zum zweiten Mal läutete. Er trat in den Wassernapf für den Hund, fluchte und öffnete mit nasser Socke die Tür.
    Â»Moin«, sagte der Postmann gedehnt und drückte damit aus, wofür man anderswo einen ganzen Satz gebraucht hätte: »Na, das hat ja ganz schön gedauert, was hast du denn gemacht? Nickerchen?«
    Enno setzte zur Antwort an, zögerte sie einen Moment hinaus und entgegnete kurz und leise »Moin«.
    Damit waren Eingeständnis und Entschuldigung ausreichend und unmissverständlich formuliert.
    Â»Post«, sagte der Postmann, auf den Erfolg seines Scherzes lauernd, während er ein mittelgroßes Päckchen hinter seinem Rücken hervorzauberte.
    Zu seiner Enttäuschung war Enno so auf das Päckchen fixiert, dass er den Scherz gar nicht würdigte. Er riss es ihm förmlich aus der Hand.
    Â»Na, was zum Aufblasen?«, rächte sich der Postmann für Ennos Ignoranz und hielt ihm das elektronische Kästchen für die Empfangsbestätigung unter die Nase.
    Geistesabwesend lächelnd krakelte Enno irgendetwas auf das für seine Unterschrift viel zu kleine Display, drehte mit dem Päckchen ins Haus ab und murmelte noch ein »Danke!«, bevor die Tür ins Schloss fiel.
    Auf der karierten Wachstischdecke des Küchentischs schlitzte Enno den Karton mit drei sauberen Schnitten auf, öffnete ihn und hielt einen Moment inne. Dann zog er die Styroporverpackung heraus, entfernte die Schaumstoffteile und legte das verpackte Gut frei.
    Es war noch in eine Plastikfolie gehüllt, aus der Enno es jetzt herauszog, und dann hielt er ihn in Händen: den »Night Max M5   High Performance«.
    Ein Nachtsichtgerät der Spitzenklasse, wenn man den Versprechungen des Herstellers glauben durfte.
    Enno holte sein Fotostativ und seine DV -Kamera, die er in Erwartung der Paketsendung schon bereitgelegt hatte, und machte sich daran, den »Night Max« auf das Stativ zu schrauben und mit der Kamera zu verkabeln.
    Binnen weniger Minuten hatte Enno seine Überwachungseinheit einsatzbereit gemacht. Er warf einen prüfenden Blick gen Himmel. Zu ärgerlich, dass es noch hell war.
    Seine Stimmung hob sich, als der Blick auf seine Tiere fiel. Versonnen betrachtete er die kleine Herde Kamerunschafe, die sich hinter dem Haus in einheitlichem Tempo über den Rasen fraßen. Er war sehr zufrieden, dass er sich für sie entschieden hatte. Endlich. Als »anspruchsloses, widerstandsfähiges Landschaf mit Haarkleid« hatte der Händler die Rasse angepriesen. Das hatte Enno überhaupt nicht interessiert, er fand sie einfach hübsch in ihrem kastanienbraunen Fell, seit er sie als Kind auf einer Tierschau gesehen hatte. Sie waren anders als die anderen, das hatte ihm gefallen.
    Â»Schafe, die keine Wolle geben, was is’n das für’n Blödsinn«, war die Reaktion seines Vaters gewesen auf den zaghaft geäußerten Wunsch, ein Kamerunschaf als Haustier anzuschaffen. »Und ein einzelnes schon mal gar nich.«
    Mehrere aber auch nicht. Damit war
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