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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich
Autoren: Janet Clark
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vernahm den Zynismus in ihrem Ton. Spürte, wie die Wut wieder in ihr brodelte. »Originell. Die Polizei wird sofort auf Selbstmord tippen. Da bin ich sicher.«
    Sein Faust krachte in ihr Gesicht. Sie torkelte zurück.
    »Dein Ton gefällt mir nicht. Er hat mir noch nie gefallen.« Er steckte seine Hand in die Hosentasche und zog einen Schlüssel hervor. »Zeit zu sterben.«
    Das Messer in der Faust, packte er sie bei den Handschellen. Mit der anderen Hand sperrte er auf. Schnell und geübt. Lydia schüttelte ihre Handgelenke aus und rieb ihre verkrampften Oberarme und Schultern. Sofort war Carlos Messer wieder an ihrer Kehle.
    »Keine Tricks«, raunzte er ihr ins Ohr.
    Die Fensteröffnung war nur noch wenige Schritte entfernt. Er schubste sie vorwärts. Ihre Sinne waren hellwach. Das Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Klar. Präzise. Wie damals. Als sie den Topf genommen und ihn mit siedendem Öl übergossen hatte.
    Sie hatte noch einen Meter, dann würde der nächste Schlag sie ins Jenseits befördern.
    Aber sie war nicht mehr gefesselt.
    Ich kann mich wehren.
    Er hat ein Messer. Er ist stärker.
    Aber er darf mich nicht mit dem Messer verletzen. Das zerstört sein Selbstmordszenario.
    Die Gaspistole!
    In der Innentasche. Wie soll ich zwei Reißverschlüsse öffnen?
    Ich kann mich ducken und wegrennen.
    Wohin?
    Es gibt keine Treppe. Nur den Lift.
    Wie soll ich ihn in Bewegung setzen, bevor er mich einholt?
    Ich komme hier nicht raus.
    Valeska. Die Kriegerin. Was würde sie machen?
    Treten.
    Laufen.
    Weg von den Fenstern.
    Kämpfen.
    Sie würde um ihr Leben kämpfen.
    Im Kampf sterben.
    Mit erhobenem Kopf.
    Der Schlag war fester als der letzte. Sie kippte nach vorn, weg von dem Messer und ließ gleichzeitig ihr linkes Bein nach hinten schnellen. Sie spürte Widerstand und hörte, wie er aufjaulte. Jeden Muskel angespannt, hielt sie ihr Gleichgewicht, duckte sich nach rechts weg. Mit einem Sprung hechtete sie aus der Reichweite seiner Arme und rannte in die Mitte des Raumes. Sie stellte sich hinter eine Säule und fixierte ihn.
    »Keine Tricks, habe ich gesagt, Luder«, presste er hervor und näherte sich langsam, leicht gebeugt, einen Arm auf seinen Bauch gepresst. »Du kommst hier nicht lebend raus. Nur mit mehr oder weniger Schmerzen.«
    Sie zog den Reißverschluss ihrer Jacke auf, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Plötzlich raste er auf sie zu. Schnell sprang sie nach hinten, so dass sie einen besseren Blick hatte, überflog den Raum. Bleib weg von den Fenstern! Sie machte kehrt und rannte in die Richtung des Lifts. Es hatte keinen Sinn. Seine Schritte waren dicht hinter ihr. Sie hörte ihn keuchen, spürte, wie seine Hand ihre Jacke streifte. Sie schlug einen Haken. Er fluchte. Panisch lief sie zurück zu der Säule, hinter der sie zuerst Zuflucht gesucht hatte. Zerrte verzweifelt an dem Reißverschluss der Innentasche. Beobachtete ihn. Er war verwirrt. Verärgert. Er ertrug es nicht, wenn man sich ihm widersetzte. Das wusste sie. Sie wusste auch, dass er bald so weit sein würde. Dass er bald die Kontrolle über sich verlieren, unberechenbar werden würde. Rasen vor Wut. Das war ihre Chance. Wenn er sich vergaß und begann, Fehler zu machen. Sie totschlug. Spuren hinterließ. Sich selbst ans Messer lieferte.
    Auf einmal wurde sie ganz ruhig. Die Angst verschwand.
    Er würde sie töten. Die Gaspistole aus der Tasche zu zerren und zu entsichern dauerte zu lang. Es gab keinen Ausweg.
    Aber er würde dafür büßen. Und wenn Maren der Polizei den Brief gab, dann vielleicht auch für die Morde an Sven, Denk und Grossmann. Eine grimmige Zufriedenheit erfüllte sie. Du kommst auch nicht davon.
    Er war nur noch wenige Schritte von ihr entfernt.
    Links oder rechts?
    Sie wartete seinen nächsten Schritt ab, dann rannte sie nach rechts, direkt auf die nächste Säule zu. Er lief parallel zu ihr, fast auf gleicher Höhe. Kam gleichzeitig bei der Säule an. Sie stand dahinter, er davor.
    »Ich mach dich fertig, Luder!« Die Wut in seiner Stimme schwoll an und ließ seine Kehle vibrieren. Er trat dicht an die Säule. Das Messer in seiner Hand gezückt, wippte er von einem Bein aufs andere. Zum Angriff bereit. Sie wich zurück. Dann drehte sie sich und sprintete in die andere Richtung. Sie hörte, wie er aufholte. Mobilisierte ihre letzten Kräfte, beschleunigte, dann stolperte sie über ein Rohr.
    Fiel.
    Sie landete auf ihren Händen und Knien.
    In Sekundenschnelle raffte sie sich wieder auf, bereit weiterzulaufen, das Spiel
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