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Tausend und eine Nacht, Band 4

Tausend und eine Nacht, Band 4

Titel: Tausend und eine Nacht, Band 4
Autoren: Gustav Weil
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Geschichte des Königs Kalad und seines Veziers Schimas.
    Man behauptet, einst lebte in Indien ein mächtiger König von hoher Statur und starkem Körperbau, sein Name war Kalad. Er gebot über zweiundsiebzig Vizekönige; dreihundertundfünfzig Kadhis war die Justizpflege anvertraut, und in seinem Divan saßen siebzig Veziere, von denen je zehn einem Oberen gehorchten. Über alle siebzig stand aber der Großvezier Schimas, der sowohl bei dem König als bei den übrigen Vezieren sehr beliebt war. Die Regierung dieses Königs war sehr mild, denn er liebte seine Untertanen, war sehr wohltätig und erleichterte ihre Abgaben mehr, als alle seine Vorgänger. Er war aber doch sehr mißvergnügt, weil er keinen Sohn hatte, der ihm hätte auf den Thron folgen können. Eines Nachts, als ihn der Schlaf in diesen Gedanken überwältigte, sah er im Traume die Wurzel eines Baumes, aus dem viele Zweige hervorsprossen; dann entstieg dieser Wurzel eine Flamme, welche alle Zweige rund umher verzehrte. Der König erwachte hierauf sehr erschrocken und befahl einem seiner Diener, sogleich den Vezier Schimas zu rufen. Dieser kam schnell herbei und verbeugte sich vor dem König, der auf seinem Bett saß, wünschte ihm dauerndes Glück und sagte: »O König, Gott erhalte dich! Was ist dir Unangenehmes widerfahren, daß du mich plötzlich in der Nacht rufen läßt?« Der König hieß ihn sitzen, erzählte ihm seinen Traum und sagte: »Ich habe dich rufen lassen, weil ich dich als einen großen Gelehrten kenne, der Träume auszulegen versteht.« Schimas beugte den Kopf eine Weile und erhob ihn dann wieder lächelnd. Der König bat ihn, ihm zu sagen, was er von diesem Traum halte, ihm aber ja nichts zu verbergen, Schimas antwortete: »Beruhige dich in Gottes Namen und sei froh, denn ich habe viel Glück für dich. Gott wird dir einen Sohn bescheren, der nach langem Leben dein Reich erben wird, doch etwas wird vorfallen, das ich dir jetzt noch nicht mitteilen kann.« Der König freute sich sehr und sagte: »Wenn deine Deutung war ist, so erkläre mir alles, damit meine Freude vollkommen sei; mein ganzes Streben geht doch nur nach Gottes Wohlgefallen.« Schimas aber suchte allerlei Vorwand, um sich von der gänzlichen Auslegung des Traumes loszusagen, Da ließ der König Astrologen und andere Traumdeuter rufen und bat sie, ihm seinen ganzen Traum auszulegen. Einer von ihnen bat um das Wort und sagte: »O König! Dein Vezier Schimas kann den Traum ebensogut deuten, als einer von uns, aber er scheut sich vor dir; wenn du mir deine Gnade verbürgst, will ich dir enthüllen, was er dir verborgen.« Als der König ihm Gnade versprach, sagte er: »Wisse, o König, du wirst einen Sohn zeugen, der dein Reich erben und einige Zeit in deinem Pfade wandeln wird, bald aber wird er treulos gegen seine Untertanen handeln, sein Volk wird mißvergnügt werden, und es wird ihm gehen, wie der Maus mit der Katze!« Der König rief Gottes Hilfe an und fragte: »Was ist das für eine Geschichte?«Da begann der Traumdeuter:

Geschichte der Katze mit der Maus.
    Man erzählt, o König! Eine Katze ging einst in der Nacht auf Raub aus, lief aber die ganze Nacht in den Wiesen umher, ohne etwas zu finden. Da es heftig regnete und es sie sehr fror, suchte sie einen trockenen Zufluchtsort und ging auf ein Loch zu, welches sie in der Wurzel eines Baumes bemerkte. Als sie nahe daran war, roch sie eine Maus darin und kroch langsam an den Baum hin, um sie zu fangen. Da aber die Maus die Nähe der Katze merkte, schleppte sie schnell Erde herbei und verstopfte die Öffnung des Loches. Die Katze miaute gar jämmerlich und schrie: »Warum tust du dies, mein Freund? Ich suche Zuflucht bei dir, erbarme dich meiner und laß mich diese Nacht in deiner Höhle zubringen; ich bin alt, schwach und matt, kann mich nicht mehr bewegen; ich laufe schon die ganze Nacht auf dem Felde umher, habe mir oft den Tod gewünscht, um einmal meiner Qualen los zu werden, und nun liege ich hier vor deiner Tür, krank vor Nässe und Kälte; ich bitte dich um Gotteswillen, beherberge mich im Gang deiner Höhle, ich bin arm und fremd; es heißt ja: Wer einen Fremden bei sich beherbergt, dem wird am Gerichtstage das Paradies als Wohnung angewiesen.« Als die Maus das Flehen der Katze vernahm, sagte sie erschrocken: »Wie kann ich dir öffnen? Du bist doch mein natürlicher Feind und lebst nur von meinem Fleisch; ich fürchte deinen Verrat, du bist treulos von Natur, ich kann dir nicht glauben, ich kann dir
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